Urlaub mit der Familie in Schweden. Der heutige Tag ist wie geschaffen dafür, dass wir mit den Kindern einen Ausflug machen. Die Sonne scheint und ein laues Lüftchen bewegt die spätsommerliche Luft. Wir wollen zum See. Nicht etwa an den langweiligen, Strand auf dieser Seite, wo unser Camp mit den Schwedenhäusern ist, sondern auf die anderen Seite. Dort soll der Sand viel feiner sein. Und so viele Leute wie hier soll es auch nicht geben. Viel stiller sei es dort auch und man könne vom Waldrand aus fast direkt ins Wasser, so der Geheimtipp eines Einheimischen.

Ruhe. Das ist ein Wort, das mich magisch anzieht, denn ich will dem Lärmen der Gruppe aus dem Weg gehen, mit der wir unterwegs sind. Das bedeutet aber, dass wir mit dem Kanu auf die andere Seite fahren, denn anders ist dieser geheime Platz nicht erreichbar.

Kanu fahren. Das ist doch kein Problem für meinen Mann und mich. Wir sind schon oft gefahren und deshalb ein eingespieltes Team. Also werden unsere 4 Kinder entsprechend eingekleidet. Schwimmwesten sind Pflicht, da gibt es keine Diskussion. Weder von der vierjährigen Jüngsten, noch von der zehnjährigen Ältesten. Wir als Eltern sind natürlich Vorbild und ziehen auch welche an.

Ich packe noch ein bisschen Proviant ein, damit wir länger wegbleiben können und trotzdem keines von uns am Hungertuch nagen muss. Dann noch die Badesachen, ein paar Handtücher und für alle Fälle für jeden eine Regenjacke. Aber das nur aus reiner Gewohnheit.

Mein Mann steht auf zwei Paddel gelehnt beim Kanu am Steg und beaufsichtigt die Kinder, bis ich aus unserer Behausung auftauche. Dann machen wir uns startklar.

Die Transporttonne wird voll und wir müssen noch etwas drücken, so dass auch das letzte Handtuch noch hineinpasst. Dann packen wir das Kanu und lassen es ins Wasser. Nacheinander steigen die Kinder ein. Dann reicht mir mein Mann eins der Paddel und ich setzte mich vorne rein. Zum Schluss klettert er auf seinen Platz als Steuermann hinten ins Boot.

Abstoßen, etwas ruckeln und schon gleitet das schnittige Wasserfahrzeug ruhig hinaus auf den wunderschön daliegenden See. Wie schon öfter stelle ich auch jetzt fest, dass unsere Kinder bedeutend weniger quirlig sind, als auf dem Land. Ich mag das, wenn ich merke, wie sich die Schönheit der Natur auf mich legt und still macht.

Getaktet mit den Ruderschlägen meines Mannes ziehe auch ich das Paddel durch das Wasser. Es ist einfach schön.

„Wusstest du eigentlich, dass mir jemand gesagt hat, dass es heute noch ein Gewitter geben soll?“ Die Frage ist an mich gerichtet.

„Nein. Davon hab ich nichts gehört. Auf den Wetterbericht habe ich auch nicht geschaut.“

„Vielleicht hat sich derjenige auch geirrt, der mir diese Information gegeben hat. Der See liegt so wunderbar ruhig vor uns.“

„Möglich. Ich sehe auch schon die kleine Bucht, wo wir hin wollen. Lenke doch bitte etwas mehr nach links.“

Mein Mann lacht. „Bis wir dort sind dauert es noch eine Weile. Da kann ich noch lange warten mit dem links Lenken.“

Die Kinder sind fröhlich und fangen an zu singen. Es ist wunderschön, wie es über den See klingt. Nach einiger Zeit regelmäßigen Paddelns sind wir nahe an der kleinen Buch. Mit ein paar kräftigen Paddelschlägen kommen wir mit dem Bug weit genug auf die Sandbank, so dass ich leicht als Erste aussteigen kann, ohne nasse Füße zu bekommen. Ich helfe den Kindern nacheinander auch heraus und ziehe dann das Kanu noch ein bisschen weiter aus dem Wasser. Dann reicht mir mein Mann die Transporttonne und steigt ebenfalls aus.

Kaum haben die Kinder festen Boden unter den Füßen, da zappeln sie mehr. Eins will sich schon das Handtuch hinlegen, ein anderes zieht sich schon aus, so dass sie schon im Badeanzug dicht am Wasser steht. Die anderen beiden fangen an zu zanken und rennen in Richtung Wald hintereinander her. Aber heute und hier lasse ich die Kinder machen, was sie wollen. Für viele Dummheiten ist dieser Ort nämlich nicht geschaffen.

In der Zwischenzeit ist die Sonne ein ganzes Stück weiter in den Westen gewandert. Um genau zu sein, steht sie jetzt dort, wo wir nachher wieder hin müssen. Also drüben überm See. Dass sie immer mal wieder von den Wolken verdeckt worden war, hat uns nicht beunruhigt, denn wir wissen ja, dass das in Schweden normal ist. Aber als mich ein paar Regentropfen auf der Haut treffen, werde ich doch unruhig.

„Meinst du, es wird stärker mit dem Regen?“ Ich stubse meinen Mann am Arm, der friedlich in der Sonne döst.

„Eher nicht. Aber wir können jetzt trotzdem wieder nach drüben fahren.“

„Das ist gut. Das machen wir.“ Ich rufe nach den Kindern und gebe Anweisung, sich entsprechend fertig zu machen und die Handtücher wieder in die Transporttonne zu legen. Nebenbei ziehe ich mich auch an und mein Mann bereitet das Kanu wieder vor. Dieses Mal muss er zuerst einsteigen, dann die Kinder und dann ich, denn sonst kommen wir nicht vom Ufer ins Wasser. Wieder auf dem See, nimmt er Kurs auf das andere Ufer.

Plötzlich frischt der Wind auf. Der Regen wird stärker. Ich nehme das Paddel aus dem Wasser und lege es neben mich hin. Dann schraube ich die Transporttonne auf, nehme die Jacken der Kinder heraus und verteile sie entsprechend mit der Bitte, diese anzuziehen.

Da schreit es hinter mir: „Paddel ins Wasser und reingelangt!“ Irgendetwas in der Stimme meines Mannes veranlasst mich, eben das, was er verlangt hat, sofort zu tun.

Jetzt platscht der Regen in Strömen auf uns herunter. Der Wind peitscht den See auf. Ich habe eine schlechte Sicht, denn auf dem See werden tausende Tropfen beim Aufprall auf die Wasseroberfläche zerstiebt. Paddelschlag für Paddelschlag ziehe ich kräftig durch. Es scheint, als würde es länger dauern, als auf der Hinfahrt. Endlich sind wir am Steg beim Camp angekommen. Klatschnass. Wasser im Kanu. Aber die Sonne scheint wieder.

Als am späten Abend die Kinder im Bett sind und wir es uns auf der Schaukel unseres Schwedenhauses gemütlich machen, lassen wir den Tag nochmal an uns vorbeiziehen. Mein Mann zieht mich zu sich heran und ich kuschle mich an ihn. Da fragt er: „Hast du eigentlich gemerkt, dass ich richtig große Angst um dich und die Kinder hatte, als der Sturm auf dem See so heftig war? Die hohen Wellen wären fast ins Boot geschwappt.“

Ich schaue ihn verwundert an. „Nein! Zu keiner Zeit kam mir dieser Gedanke.“

„Wieso eigentlich nicht?“ Aus der Stimme meines Mannes höre ich großes Erstaunen.

„Weißt du. Egal was passiert. Ich kann dir trotzdem immer vertrauen.“

Zart küsst mich mein Mann auf die Stirn und sagt dann leise: „Trotzdem.“

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Hast du auch schon einmal eine Erfahrung gemacht, bei der jemand anderes eine total andere Wahrnehmung hatte? Schreib es mir doch gerne in einem Kommentar.

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Diese Geschichte ist entstanden im Rahmen der Blognacht mit Anna Koschinski.

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