Spiele-Nachmittag im Elternhaus. Gerade recht neu auf dem Markt war das Brettspiel „Deutschlandreise“ und bei mir stand es auf der Favoritenliste. Schon als Teenager fuhr ich gerne mit dem Finger auf der Deutschlandkarte herum und hatte mich deshalb bei der Spielewahl durchgesetzt.

Das Spielbrett lag ausgebreitet auf dem Tisch. Würfel und Spielsteine waren verteilt und die Zielfahne hatte ihren Platz gefunden. Jede von uns vier Spielerinnen hatte ihre Anzahl an Stadtkarten, Flugkarten und Ereigniskarten. Die restlichen lagen auf Stapel auf dem dafür vorgesehenen Platz auf dem Spielbrett. Auf dem Spielbrett waren etwa 200 Städte Deutschlands mit einem roten Punkt und dem entsprechenden Namen gekennzeichnet. Jedes Spielfeldviertel hatte eine andere Farbe, so dass man die Stadt, zu der man reisen sollte, schneller finden konnte.

Von jeder Farbe gab es gleich viele Karten im eigenen Stapel, so dass also jeder Spieler im Laufe des Spiels in ganz Deutschland herumgekurvt ist. Sieger war, wer als erstes seine Karten ausgespielt hatte und wieder in der Stadt ankam, die als Start und Ziel von dem Spielleiter aus dem Stapel gezogen worden war.

Zwischen den roten Punkten, die je eine Stadt markieren waren schwarze Striche, die eine Verbindung darstellten. Manche Städte, wie zum Beispiel Frankfurt am Main, hatten viele Verbindungen. Als Spieler kam man also recht leicht dort hin. Anders jedoch die Städte, die sich im Osten Deutschlands befanden. Zu dieser Zeit gab es noch zwei deutsche Staaten, aber natürlich konnte man im Spiel die erlaubten Grenzübergänge benutzen und in der DDR herumreisen.

Aber wie in der Realität, so gab es eben auch auf dem Spielbrett nur drei Grenzübergänge. Die Verbindung zwischen Plauen und Hof fehlte. Da konnte man zwar über Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz) hingelangen, musste aber wieder zurück.

Der Clou an der Sache war, dass man mit direkter Augenzahl auf die nächste Stadt auf dem eigenen Stapel kommen musste. Also los geht’s. Reihum würfeln und Stadt für Stadt in Deutschland mit dem eigenen Spielstein abfahren. Mein Spielstein war weiß. Wie fast immer. Der Startstadt war heute Aachen. Also so ziemlich im Westen. Sortieren der Karten war erlaubt. Wer würde heute der Sieger im Spiel sein?

Emden, Bremen, Verden, Lüneburg, Izehoe, Bielefeld, Wolfsburg, Koblenz. … Alles Karten, die ich schon abgelegt hatte. Ich war zufrieden und legte mich ins Zeug. Zwischendurch eine Ereigniskarte ziehen oder eine Flugkarte ausspielen, wenn ich längere Verbindungsstrecken zurücklegen will.

Ab in den Südwesten. Darmstadt, Baden Baden, Rottweil, Ravensburg, Ulm, Donaueschingen. … Auch hier kam ich gut voran. Nun den Südosten abgrasen. Also mehrheitlich Bayern. Regensburg, München, Tauberbischofsheim, Würzburg, Cham, Bayreuth, Hof. … Das Spiel nahm an Geschwindigkeit zu und ich bekam über meine Mitspieler starke Konkurrenz. Jemand zog eine Ereigniskarte, auf der stand, dass man einem anderen Spieler eine extra Stadtkarte geben kann.

Uff. Ich bin der Empfänger. Ich schaute auf den Stadtnamen: Karl-Marx-Stadt.

Na denn. Auf in den Osten. Wo sind denn die Grenzübergänge? Ach, hier bei Bad Hersfeld und Eisenach. Ach und ich musste noch nach Magdeburg, Schwerin, Potsdam, Neubrandenburg, Frankfurt/Oder, Cottbus. Und dann eben Karl-Marx-Stadt.

Mist. Wenig Verbindungen. Viele Einbahnstraßen. Ich gurke rum und komme schlecht weiter. Meine Mitspieler, die zuerst im Osten Deutschlands unterwegs waren, schätzen sich glücklich und machen jetzt die Städte im Ruhrgebiet. Dort gibt es zu allen Städten viele Verbindungen. Ich aber stöhne. Endlich nur noch Karl-Marx-Stadt, und dann so schnell wie möglich nach Aachen zurück zur Zielstadt, wo die Fahne steht.

Der Würfel steht nicht mehr auf meiner Seite. Ich komme und komme nicht auf dieses Karl-Marx-Stadt. Endlich habe ich es geschafft. Aber da ist eine Mitspielerin schon fertig. Wir entscheiden weiterzuspielen, bis alle fertig sind. Nächster Spielzug, die nächste Mitspielerin ist fertig. Jetzt sind wir nur noch zu zweit. Ich beeile mich, was der Würfel hergibt. Und komme endlich wieder aus der DDR hinaus. Aber ich schaffe es nicht, bis nach Aachen. Auch die dritte Mitspielerin ist schneller.

Verloren wegen schlechter Verbindung zu Karl-Marx-Stadt.

Und das auch beim nächsten, übernächsten, überübernächsten Spiel und so weiter. Komischerweise immer, weil ich in Karl-Marx-Stadt hängen bleibe.

Eine Vorhersehung? Hängen bleiben wegen schlechter Verbindung?

Irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf dieses Spiel. Es versank in der großen Kiste.

Und dann traf ich nach ungefähr 10 Jahren meinen Traummann. Ein Lieblingsmensch, zu dem eine starke Verbindung anfing zu wachsen. Ich fragte ihn, aus welcher Stadt er denn käme und erhielt zur Antwort: Chemnitz (ehemals Karl-Marx-Stadt).

War das nun zum Lachen oder zum Weinen? Ich entschied mich für das Lachen und für meinen Traummann, mit dem ich jetzt schon gefühlt unzählige Jahre eine starke Verbindung aufgebaut habe.

Nun frage ich dich. Ist das Zufall, oder vorherbestimmt? Was meinst du? Schreib es mir doch gerne in einem Kommentar.

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Danke an Anna, für den Impuls zur 50. Blognacht: eine starke Verbindung.

Abgelegt hat sie mich. Einfach abgelegt. Und dann den Deckel zugemacht. Was soll ich jetzt hier? Ich bin doch so schön golden! Ohne Licht glänze ich gar nicht. Ich will hier raus! Aber der Deckel ist zu. Okey. Dann gebe ich mich halt geschlagen, schicke mich in mein Schicksal und schlafe.

Zzzzzz …. Zzzzzz … (Schnarchgeräusche)

Huch. Wer weckt mich denn hier auf? Macht den Deckel wieder zu! Es blendet!

Das war wohl er. Er hat ihn auch einfach abgelegt. Hier. Neben mir. Schön. Dann bin ich ja jetzt nicht mehr alleine.

Hübsch ist er, der da neben mich gelegt wurde. Auch golden, wie ich. Mit demselben Muster.

Na, dann können wir uns ja auch unterhalten und müssen nicht vor lauter Langeweile schlafen. Jetzt, wo der Deckel wieder zu ist.

„Hallo Du. Wir sehen uns ganz schön ähnlich. Finde ich. Was meinst du?“

„Jo. So grundsätzlich schon. Ich bin nur ein bisschen größer.“

„Weißt du, warum man uns hier eingesperrt hat?“

„Nein. Keine Ahnung. Hab nur so eine Vermutung.“

„Und die wäre?“

„Wir warten auf unsere Bestimmung.“

„Haha. Und welche soll das sein? Hier in unserer Schachtel kommt unsere Schönheit ja gar nicht zur Geltung.“

„Naja. Wir werden eben noch ein wenig Geduld haben müssen.“

„Dann schlafe ich nochmal. Da vergeht die Zeit schneller.“

Zzzzzz …. Zzzzzz … (Schnarchgeräusche)

„Aufwachen! Der Deckel ist offen!“

„Hilfe! Es blendet! Und wieviel Licht da plötzlich ist!“

Eine Männerhand nimmt sie zwischen die Finger und streift sie auf den Ringfinger der schönen Frau, ganz in Weiß.

Sie nimmt ihn zwischen zwei ihrer Finger und streift ihn über den Ringfinger des schönen Mannes im blauen Anzug.

Dann verschränken sie die Hände ineinander und die Orgel im Dom fängt an zu spielen.

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Dieser Artikel entstand in der Schreibnacht im Dom zu Ratzeburg. Wie ging es dir beim Lesen? Hast du erkant, welcher Gegenstand es war? Schreib es mir gerne in einem Kommentar.

Eigentlich ist mein Ruhepol in mir drin. Aber es gibt Tage, da wird diese Tatsache heftigst auf die Probe gestellt. Dieser Sonntag ist einer davon.

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Acht Uhr. Ich liege noch im Bett, genieße die Wärme und räkele mich. Ach wie schön ist doch so ein Tag, an dem mich keine Arbeit treibt. Soll ich aufstehen, oder noch ein wenig liegen bleiben?

Ich habe noch nicht einmal Zeit, mir Gedanken zu dieser Frage zu machen, da klingelt das Handy meines Mannes, der dadurch wach wird und abhebt. Unsere Kleine ist dran. Sie war mit einer Reisebeleitung die letzen zehn Tage auf einem Kreuzfahrtschiff von Hamburg nach New York unterwegs.

„Mein Flug ist gestrichen. Ich will nach Hause? Die sind so unfreundlich. Keiner gibt mir Antwort. Hilf mir! Bitte!“ Ihre Stimme klingt schrill. Die Verbindung bricht ab.

Ich bin hellwach. Wie kann ich ihr helfen?

Erst mal gar nicht. Ich bin nämlich hier in Deutschland in einer Kleinstadt in der Nähe von Hamburg. Dort ist der Flughafen, auf dem unsere Kleine in wenigen Stunden hätte landen sollen. Aber das wird sie nicht. Können wir ihr Problem lösen?

„Erst mal den Reiseveranstalter anrufen.“ Mein Mann zückt sein Handy.

„Gute Idee. Haben wir eine Adresse?“

„Nein. Die hat ihre Reisebegleitung.“

„Hm. Das ist nicht gut. Hast du einen Kontakt zu ihrer Reisebegleitung?“

„Ja. Habe ich.“ Der Finger meines Mannes streicht schon über das offene Display.

„Versuche es doch mal“

„Ja. Mache ich ja schon. Mach mich nicht nervös.“ Streng schaut er mich an und runzelt die Stirn.

Etwas später sitzen wir beim Frühstück. Die Stimmung ziemlich tief. Mir ist noch keine schlaue Lösung eingefallen, wie man die Kleine von New York wieder nach Deutschland bringen kann. Mein Mann hat die Reisebegleitung nicht erreicht. Seine Vermutung ist, dass ihre Reisebegleitung ihn entweder weggedrückt hat, oder die Verbindung in die USA ziemlich schlecht ist. Wir haben keinerlei weitere Informationen.

Wir sitzen also hier in Deutschland und genießen unser Frühstück. So langsam kommen wir wieder zur Ruhe, aber die Unsicherheit bleibt. Da klingelt erneut das Handy.

„Wir sitzen gleich im Flug nach Berlin. Gegen 17 Uhr sind wir da. Holt sie sofort ab.“ Die Stimme ihrer Reisebegleitung klingt angefressen und säuerlich. Gleich darauf ist die Verbindung weg.

Ich ärgere mich. Warum Berlin? Der Flug sollte nach Hamburg gehen. Mein Mann hingegen schaut mich an und zieht tief die Luft ein und schaut auf die Uhr. „Dann können wir ja noch ein wenig entspannen, bevor wir wegfahren.“

„Ja. Mach das. Du musst ja nachher fahren. Bis Berlin sind es drei Stunden.“ Während ich daran denke, dass unsere Kleine bestimmt Hunger und Durst hat, wenn sie wieder da ist, mache ich ein paar Schnitten und was zum Trinken.

Mein Mann steht vom Tisch auf, lässt sich auf dem Sofa nieder und legt die Beine hoch. Kurze Zeit später höre ich seinen bekannten Schnarchton aus dem Wohnzimmer.

Wie einfach mein Mann seinen inneren Ruhepol findet, denke ich. Das müsste ich doch auch schaffen. Während ich in der Küche herumwerkle, mache ich mir den Podcast „Schokolade fürs’s Ego“ an. Mit den Stimmen von Anna und Peter komme auch ich langsam wieder zur Ruhe.

Nach einiger Zeit kommt mein Mann gut gelaunt in die Küche. „Hach. Hat mir das kurze Nickerchen gut getan! Wir können jetzt aufbrechen.“

Gesagt, getan. Auf der Fahrt nach Berlin fährt er und ich mache ein Nickerchen. Ich habe es auch nötig. Und wer weiß, was noch kommt an diesem Sonntag.

Wir sind rechtzeitig am Flughafen. Bei dem Anblick des Preises für eine Stunde im Parkhaus gerät die innere Ruhe meines Mannes gewaltig aus dem Gleichgewicht. Leider gibt es keine Alternative.

Wenig später finden wir Bereich, wo unsere Kleine mit ihrer Reisebegleitung ankommen wird. Es ist laut hier. Zu meinem eigenen Leidwesen habe ich meine Kopfhörer vergesen. Es sind so viele Menschen, so viele Sprachen und so viele Geräusche. Hilfe! Ich will meine Sonntagsruhe wieder haben!

Um mich abzulenken, schreibe ich ein wenig in meine Kladde. Ein Blick auf die Anzeigetafel verrät meinem Mann und mir, dass das Flugzeug aus New York bereits gelandet ist. Es kann also nicht mehr lange dauern.

Das Handy meines Mannes klingelt und sofort hebt er ab. Ihre Reisebegleitung ist dran.

„Wo bleibt ihr. Wir sind schon da und warten. Ich kann nicht länger bleiben. Ihr müsst sie sofort holen.“ Ähm. Wie bitte? Obwohl mein Mann keinen Lautsprecher beim Handy anhat, höre ich ihre fordernde Stimme.

Mein Mann springt auf und seine Augen gehen suchend durch die Menge. Dann läuft er ein Stück von mir weg. Ich springe gleich mit auf, denn ich will ihn in dem Gewühl nicht verlieren.

„Was ist? Ist sie da?“

Mein Mann winkt ab und läuft davon. Ich schnurstracks hinterher. Da. Er hat sie entdeckt. Die große, gefärbt blonde Reisebegleitung steht mitten in der Eingangshalle und rührt sich nicht. Unsere Kleine steht blass und fahl,wie ein verschüchterter Vogel, daneben und bewegt sich auch nicht. Das ganze Gewühl der Menschen muss irgendwie an ihnen vorbei.

Mein Mann geht auf die beiden zu und will unsere Kleine begrüßen. Da drückt sich ihre Reisebegleitung dazwischen, zieht meinen Mann an sich und drückt ihn, als wäre sie wunderwelt wie eng mit ihm. Hey. Finger weg. Das ist mein Mann! Mein Gefühl sagt mir, dass mein Ruhepol gerade ganz schön in Gefahr ist.

Bewusst wende ich der Reisebegleitung den Rücken zu und nehme unsere Kleine in den Arm. Da quetscht sich die „nettte“ Reisebegleitung zwischen uns und will mich auch umarmen. Aber nicht mit mir. Da hört der „Spaß“ auf! Ich schiebe die blond Gefärbte auf mindestens eine Armlänge von mir weg.

Sie wendet sich beleidigt ab und überschüttet gleich darauf meinen Mann mit einem Redeschwall. In New York sei alles schief gegangen, und jetzt müsse er dafür sorgen, dass der Reiseveranstalter das Geld zurück erstatten würde.

Das ist eine Frechheit, denke ich. Es ist ihre Aufgabe, sich darum zu kümmern. Es war ihre Idee, unsere Kleine auf ihrer Kreuzfahrt mitzuschleppen. Unsere Kleine ist nur ihr zuliebe mitgegangen. Ich bin sauer wegen der Dreistigkeit der blond gefärbten Reisebegleitung und mein innerer Ruhepol kommt für heute schon zum mehrfachen Male gewaltig in Gefahr.

Wenige Zeit später sitzen wir im Auto in Richtung zu Hause. Es stehen uns wieder drei Stunden Fahrt bevor. Unsere Kleine nimmt mein vorbereitetes Schnittchen und etwas zum Trinken dankbar und erleichtert an.

„Erzähle doch ein bisschen von deiner Reise,“ fordere ich sie auf.

Es ist, als würde ein Damm brechen, so purzeln die Worte aus ihr heraus. Was muss auf dieser Reise und mit dieser Reisebegleitung passiert sein, dass unsere Kleine so neben sich steht? Sie berichtet völlig aufgelöst, wie furchtbar die Reisebegleitung sich ihr gegenüber benommen hat. Mehrfach ist sie ihr gegenüber übergriffig und bevormundend gewesen und mindestens dreimal ist sie ohne ersichtlichen Grund von ihr angeschrieen worden.

Ich runzle die Stirn und denke nur, dass ich so etwas irgendwie vorausgesehen habe, seit ich diese Reisebegleitung gesehen hatte. Aber mir wollte man es nicht glauben. Wie immer. Trotzdem habe ich Mitleid mit meiner Kleinen. Sie hat diese Person die ganze zehntägige Reise lang aushalten müssen. Jeden Tag. Aus ihren Worten höre ich, dass das der blanke Horror für sie gewesen ist.

Zu Hause gibt es noch ein warmes Abendessen, was unserer Kleinen sehr gut tut.. Sie schwört sich und uns, dass sie nie wieder mit dieser Reisebegleitung unterwegs sein will. Kurze Zeit später fällt sie ins Bett und schläft erst einmal ein paar Stunden den Schlaf der Erschöpfung.

Bevor mein Mann und ich ins Bett gehen, reflektieren wir noch den Tag. Wir sind uns einig, dass unser inneren Ruhepol heute sehr häufig in Gefahr war. Gut. Dass das nicht alle Tage so ist.

Kennst du auch Situationen und Menschen, die es schaffen, deinen inneren Ruhepol in Gefahr zu bringen? Schreib es mir doch gerne in einem Kommentar.

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Dieser Text ist entstanden in der 48. Blognacht mit Anna.

Freudestrahlend reicht sie mir einen herrlich duftenden Frühlingsblumenstrauß, als ich ihr die Tür öffnete.

„Komm, leg ab. Hier ist die Garderobe.“ Wir treten in den Flur und gehen dann ins große Wohnzimmer, in dem ich eine nette kleine Teetafel für uns gedeckt habe.

„Wir haben uns wirklich lange nicht mehr gesehen.“ Sie setzt sich. Ich stelle den Strauß in eine Vase und dekoriere damit den Tisch.

„Stimmt. Du warst nicht mehr bei mir, seit ich umgezogen bin.“ Ich halte ihr die Kanne hin. „Tee?“

„Gerne.“ Wir zwei Frauen haben uns viel zu erzählen. Währenddessen geht ihr Blick immer wieder zum großen Fenster.

Ich wundere mich, was sie draußen wohl sieht, frage aber nicht. Sie erzählt spannend aus der Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben.

„Hast du Lust auf eine Hausführung?“, frage ich nach einer ganzen Weile. „Immerhin hast du außer unserem Wohnzimmer bis jetzt noch nichts gesehen.“

„Ja natürlich. Ich bin sehr gespannt.“

„Wir fangen am besten unten an und arbeiten uns dann so langsam nach oben.“ Ich führe sie die Treppe nach unten und öffne rechter Hand eine Tür, durch die helles Sonnenlicht flutet.

„Hier in diesem Raum hatte der Vorbesitzer einen Partykeller.“

„Wow!“ Sie zieht die Luft ein. „Auf zwei Seiten voll verspiegelt! Sieht richtig gut aus.“ Sie zieht ihre Augenbrauen nach oben.

So gehen wir im Haus von Raum zu Raum. In jedem Zimmer sieht sie durch das Fenster und zieht ihre Augenbrauen hoch. Ich wundere mich, denn jedes Mal finde ich nichts Besonderes, was es draußen zu sehen gibt.

„Auf den Dachboden müssen wir nicht gehen, oder?“

„Gibt es dort ein Fenster?“ Sie sieht mich fragend an.

„Nein. Nur eine Neonlampe. Komm. Wir trinken noch eine Tase Tee.“

Wir setzen uns wieder ins Wohnzimmer und machen es uns gemütlich. Da zieht sie wieder die Augenbrauen nach oben.

Nun traue ich mich doch, sie darauf anzusprechen.

„Sag mal, gibt es einen Grund, warum du immer deine Stirn runzelst?“

„Hm. Ich traue es mir eigentlich nicht zu sagen. Aber weil es du bist.“ Sie macht eine lange Pause und ich bin sehr gespannt, was nun kommt.

„Ich mag dich ja total gerne. Aber in deinem Haushalt sind sogar die Fenster perfekt geputzt. Auch keinen einzigen Spiegel habe ich gesehen, auf dem eine Schliere oder ein Wassertropfen gewesen wäre. Meine Fenster sehen immer dreckig aus. Du hast in allen Haushaltsdingen immer das bessere Ergebnis von uns beiden gehabt. Ich fühle mich dadurch irgendwie schlecht, weil ich das so nicht hinbekomme.“

Sie schluckt und schaut wieder aus dem Fenster. Ich hingegen platze vor Lachen laut hinaus.

„Da täuscht du dich aber gewaltig, meine Liebe. Meine Fenster putze ich nie selbst. Das macht schon immer mein Mann. Was du siehtst, ist seine Arbeit von heute vormittag. Sein Ergebnis ist das Beste.“

Sie atmet tief aus. „Puh. Da bin ich aber erleichtert. Dass ich mich so irren konnte! Darauf brauch ich noch eine Tasse Tee.“ Lächelnd hält sie mir ihre Tasse zum Nachgießen entgegen.

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Hast du auch einmal ein Erlebnis gehabt, an dem du das beste Ergebnis von anderen zugeschrieben bekommen hast? Schreib es mir doch gerne in einem Kommentar.

Vor noch nicht allzu langer Zeit bin ich in meinen eigenen Kreativraum umgezogen. Ich brauche meinen Schreibtisch dringend, denn hier werden 99 Prozent der Ideen, die mir im Kopf rumschwirren, in Buchstaben und Wörter verwandelt. Die Idee zu diesem Artikel wurde von Alexandra Bohlmann angestubst, die ihre Blogparade zum Thema „Zeige deinen Schreibtisch“ gestartet hat. Auch diese Idee wird natürlich an meinem Schreibtisch umgesetzt.

Mein Schreibtisch besteht aus einer Platte, die zwei Meter lang und ein Meter breit ist. Er steht auf zwei stabilen, höhenverstellbaren Füßen, die zwar schmal, aber fast so breit sind wie die Platte, die sie tragen müssen. Der Schreibtisch steht direkt unter dem großen Fenster, das Richtung Süden zeigt. Obwohl mehrere Nachbarhäuser und Kastanienbäume rund herum stehen, habe ich doch einen recht freien Blick in den Himmel. Ich kann gut den Wolken nachgucken und träumen, wenn es mir danach ist. Und das kann bei Blockaden und Schreibflauten durchaus öfter vorkommen.

Auf meinem Schreibtisch liegt oder steht alles, was ich so für meine Arbeit hier brauche. Direkt vor mir steht der große Bildschirm, der zur Zeit ein Foto meiner vier Töchter als Hintergrundbild hat. Es ist ein kleines Sehnsuchtsbild, denn sie sind ja alle schon groß und leben nicht mehr bei mir zu Hause. Links daneben zeigt ein kleines Foto meinen Mann und mich an unserem Hochzeitstag. Mit jedem Blick darauf denke ist: Liebe Güte, ist das schon lange her.

Der große Bildschirm ist nur ein kleiner Teil des Computer-Equipments. Tastatur, Maus, Lautsprecher und Kamera befinden sich auch auf dem Schreibtisch, samt einem Festnetz-Telefon. Auch eine Musikbox steht da, die ich gerne „Brüll-Würfell“ nenne, weil sie doch öfter mal für meine gute Musik im Einsatz ist. Und das kann durchaus auch sehr laut sein. Je nach meinem momentanen Befinden.

Der Rechner selbst, samt Drucker und Laptop mit Zubehör stehen auf einem Rollcontainer neben meinem Schreibtisch. Schreibtisch und Rollcontainer haben das gleiche, angenehm helle Holzdesign. Nur beim Rollcontainer sieht man es nicht, weil er so vollgestellt ist.

Unter meinem Schreibtisch steht ein Hocker, damit ich meine Beine drauf stellen kann. Manchmal liegt auch ein großer Gymnastikball da und ich lege meine Beine darauf hoch. Das bisschen hin- und hergewackel, das dadurch entsteht, wirkt sich positiv und beruhigend auf mich aus.

🙂

Was befindet sich sonst noch auf meinem Schreibtisch? Natürlich die oblilgatorische Sammelkiste für Bleistifte, Kulis, Schere, Anspitzer, Büroklammern und sonstiges, was ich halt so am Schreibtisch brauche, oder auch nicht. Was an Sammelsurium nicht in die Kiste passt, steht daneben. Locher und Tesa-Abroller zum Beispiel.

Und dann ist da noch die Ablagekiste, in die ich eigentlich abends immer die noch unfertigen Sachen des Tages reinpacken will. Will, schreibe ich, denn oft bleibt es beim Wille. Die unfertigen Dinge liegen dann einfach bis zum nächsten Tag auf dem Schreibtisch.

Mein Kalendertagebuch, das ich seit Jahren fülle, liegt immer offen da und zwar mit dem tagesaktuellen Datum. In diesem Buch gibt es viel Platz für verschiedene Listen, so dass ich alles beisammen habe und nicht in die Gefahr komme, mich selbst zu über-List-en.

Ich wollte hier jetzt eigentlich schreiben, dass mein persönliches Tagebuch auch da liegt. Damit wollte ich einen schönen Abschluss machen und mich selbst für meine perfekte Ordnung loben.

Aber so einfach ist es nicht. Ich hab da nämlich noch eine weiße Dose mit Deckel stehen. Und da sind – lese und staune – Süßigkeiten drin. Mal sind es Kekse, mal sind es Gummibärchen, manchmal stecken Pralinen unter dem Deckel, und so weiter und so fort. Diese Dose wird immer aufgefüllt, wenn sie leer ist. Ihr Inhalt hat mich schon über manche Müdigkeitsphase hinweg gerettet. Ob dadurch meine Texte süßer geworden sind, wage ich allerdings zu bezweifeln. Jedenfalls hat die Dose ihren festen Platz in greifbarer Nähe.

Und jetzt mal ganz ehrlich. Hand aufs Herz. Hast du auch eine weiße Dose mit Deckel auf deinem Schreibtisch? Schreib es mir doch gerne in einem Kommentar.

Wie ein Kind

Warm spüre ich die kleine Hand meiner vierjährigen Enkelin in meiner Hand. Der geschotterte Waldweg unter unseren Schuhen knirscht im Takt mit unseren Schritten. Auf einen Schritt von mir kommen drei von ihr. Ich stimme ein Kinderlied an.

Mittendrin ruft die Kleine: „Oma. Was ist das?“

Ich höre auf zu singen, bleibe stehen und lausche.

„Das ist ein Eichelhäher, der da krächzt.“

Die Kleine lauscht auch und legt ihr kleines, blondes Köpfchen in den Nacken. Ihre tiefblauen Augen schauen in die Gipfel der Bäume am Wegrand.

„Da!“ Sie zeigt in den Wald hinein und ich sehe, wie dort gerade der Eichelhäher ein Stück weiterfliegt.

Die Kleine drückt sich an meine Beine und streckt die Ärmchen hoch. Ich nehme sie auf meinen Arm. Nahe an ihrem Ohr erkläre ich leise:

„Wenn der Eichelhäher schreit, dann sind noch andere Tiere in der Nähe.“

Wenige Augenblicke später sehen wir in einiger Entfernung ein Reh über den Waldweg springen. Die Kleine ist ganz still und hält fast den Atem an.

„Oma. Hat das Angst vor uns?“ Fragend richtet sie den Blick auf mich, als das Tier verschwunden ist.

„Wahrscheinlich. Für die Waldtiere ist der Mensch ein Eindringling und ein Feind. Komm lass und umdrehen und am Waldrand auf den Spielplatz gehen.“

„Oh ja. Ich will runter, Oma.“

Ich stelle die Kleine mit ihren Füßen auf den Weg und will wieder ihr Händchen halten. Aber sie ist schnell und rennt mir davon. So schnell es meine Rückenschmerzen zulassen, folge ich ihr. Mitten auf dem Weg hat sie angehalten und sich in die Hocke gesetzt. Sie schaut still vor sich hin und betrachtet etwas.

„Oma. Was ist das?“

„Das ist eine eine Weinbergschnecke, die immer ihr Haus mit sich trägt. Schau mal. Das sind ihre Fühler.“ Ich zeige vorsichtig darauf.

Die Kleine tippt ganz langsam mit ihrem Zeigefinger auf einen der Fühler. Die Schnecke zieht die Fühler sofort ein und verkriecht sich in ihrem Haus.

„Siehst du,“ erkläre ich, „deine Finger sind für die Schnecke fremd. Sie bringt sich dann in ihrem Haus gleich in Sicherheit.“

Mein Enkelchen bleibt noch eine Weile in der Hocke sitzen und wartet, bis die Schnecke wieder aus ihrem Haus kommt.

„Mags du mit mir weitergehen bis zum Spielplatz?“

Ohne zu antworten springt sie auf und rennt noch ein Stück den geschotterten Waldweg entlang. Es dauert nicht lange, da bleibt sie wieder stehen.

„Oma, was ist das?“, fragt sie mich, als ich bei ihr bin.

Mein Blick folgt ihrem Zeigefinger, mit dem sie auf den Boden zeigt.

„Das ist eine Ameisenstraße. Schau mal, wo die alle hingehen. Siehst du dort? Da wohnen sie.“

Mein Enkeltöchterchen geht vorsichtig neben der Ameisenstraße entlang bis zu dem großen Haufen auf dem es nur so wimmelt mit roten Ameisen. Dort setzt sie sich wieder in die Hocke und beobachtet. Einige von den Ameisen kann man nicht sehen, weil sie ein großes Blatt über sich tragen.

„Schau mal. Die Ameise ist so ein kleines Tier und kann etwas tragen, was viel größer ist, als es selbst. Das können wir Menschen nicht.“

Die Kleine schaut zu mir hoch. „Aber mich kannst du doch tragen, Oma. Ich bin müde.“

„Klar. Das kann ich. Bis zum Spielplatz, ja?“

„Juchu,“ ruft sie und springt an mir hoch. Dann gehen wir singend das letzte Stück des Weges bis zu unserem Ziel.

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Birgit Buchmayer hat zur Blogparade aufgerufen. Das Thema war: Achtsam entspannt. Meine Methode ist dabei ganz einfach. Ich gehe mit meinem kleinen Enkeltöchterchen im Wald spazieren. Entspannt, stressfrei und müde kehren wir beide dann wieder nach Hause zurück.

„So. Der alten Hexe hab ich es jetzt mal gegeben.“ Ich war acht Jahre alt und stampfte mit dem Fuß auf den weichen Waldboden. Endlich hatte ich den Mut gefunden, dieser Frau meine Meinung zu sagen.

Die „alte Hexe“ war eine Nachbarin aus der Nebenstraße. Immer wieder ärgerte sie meine Mutter mit kleinen Feindseligkeiten. Meine Mutter hat sich aber nie gewehrt. Sie kam noch nicht mal auf die Idee dazu. In meiner Kinderseele regte sich jedoch ein großer Gerechtigkeitssinn, wenn über dieses Thema ab und zu im Familienkreis gesprochen wurde. So hatte also ich mich für meine Mutter gewehrt. Mit dem vollen Brustton der Überzeugung.

Mit eben dieser Überzeugung erzählte ich meiner Mutter davon, als ich von meinem Waldausflug wieder nach Hause kam. Ihre Reaktion traf mich deshalb wie ein Eisregen im Sommer.

„Kind! So geht das nicht! Du hast kein Recht, eine alte Frau so zu behandeln. Mit deinen acht Jahren steht dir das überhaupt nicht zu! Wenn ich das nicht tue, dann darft du das schon gar nicht machen!“

Ich verstand die Welt nicht mehr.

„Eigentlich sollte ich dich dafür über’s Knie legen. Aber das hat keinen Sinn. Du gehst jetzt zu der Frau und bittest um Verzeihung!“

Ich riss die Augen auf. „Echt? Das soll ich machen? Aber ich hab‘ doch für dich …“

„Nichts da. Ich habe dir keinen Auftrag gegeben, dass du dich für mich verstreiten sollst. Du gehst!“

Meine Mutter suchte drei große, frisch aus dem Garten gepflückte Äpfel, wusch sie und rieb sie trocken, so dass sie glänzten.

„Die nimmst du mit und gibst sie der Frau extra zu deiner Entschuldigung.“ Sie drückte mir die Äpfel in die Hand und schob mich zur Tür hinaus.

„Aber Mama. Die Frau hat doch einen großen, gefährlichen Hund. Der beißt mich bestimmt.“

„Das hättest du dir früher überlegen sollen, Fräuleinchen. Geh jetzt!“

Ich ging immer noch nicht und wehrte mich bibbernd mich allen Kräften gegen den mütterlichen Druck.

„Kann mich meine Schwester nicht begleiten? Ich hab doch Angst vor dem Hund.“

„Von mir aus. Aber dann gehst du und entschuldigst dich. Drückeberger sind feige!“

Meine Mutter rief nach der Schwester, die nicht gerade begeistert war. Hatte sie doch nichts gemacht und musste mich jetzt decken. Ärgerlich und genervt trottete sie neben mir her, bis wir am Haus der alten Frau waren.

Der Hund bellte. Wo war die Klingel? Vor lauter Angst wollte ich schon wieder davonlaufen. Aber meine Schwester hielt mich zurück.

„Du wirst doch jetzt kurz vor dem Ziel nicht kneifen wollen!?“

Da öffnete sich ein Fenster im Haus und die alte Frau schaute heraus. Leise und zitternd brachte ich meine Bitte um Verzeihung vor.

„Ist gut“, sagte sie mit krächzender Stimme. „Die Äpfel kannst du dort auf den Mauerpfosten legen. Ich hol sie später. Und jetzt geh!“

Das brauchte die Frau mir nicht zweimal zu sagen. In Riesenschritten eilte ich meiner Schwester nach, die schon wieder in Richtung zu Hause unterwegs war. Schnell holte ich sie ein.

„Ich fühle mich so erleichtert. Es ist ein riesiger Stein von meinem Herzen gefallen. Jetzt geht es mir viel besser als vorher.“ Lustig plaudernd ging ich neben meiner Schwester her, die schweigend zuhörte.

Zuhause erzählte ich meiner Mutter haarklein was sich zugetragen hatte und wie ich mich dabei gefühlt hatte.

„Um Böses zu tun braucht man keinen Mut,“ sagte sie. „Aber um Verzeihung zu zu bitten, dafür schon. Ich hoffe, dass du diese Lektion nie vergessen wirst.“

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Nein. Ich habe diese Lektion nie vergessen. Auch nach mehr als 50 Jahren nicht. Und Dank Esther Nogler’s Blogparade zum Thema: „Da war ich mutig“ habe ich sie aufgeschrieben.

Was meinst du dazu? War das für dich mutig?

Jetzt hat es mich doch erwischt. Die Schreibblockade! Ausgerechnet heute, wo doch Blognacht mit Anna ist.

Nie hätte ich geglaubt, dass mir das einmal passiert. Seit Wochen und Monaten schreibe ich täglich. Nicht gerade wenig. Und jetzt? Aus! Einfach aus.

Es ist ja nicht so, dass ich immer noch täglich schreibe. Tagebuch, Notizen, Geschäftsbriefe, Buchungsbestätigungen, und so weiter. Aber mir fehlt der Fluss. Dieses fließen der Gedanken, die dann in einem wunderschön lesbaren Text enden. Ein Text, der natürlich von vielen Lesern und Leserinnen gerne gelesen wird. Und selbstverständlich auch weiterempfohlen wird und bei dem es Rückmeldungen gibt.

Aber das funktioniert gerade einfach nicht. Wenn du wissen willst, wie es im Moment bei mir geht, dann setze dich doch einfach als kleines Figürchen auf meine Schulter und schaue mir zu. Gerne kannst du auch in meine Gedanken gucken und kommentieren. Wie es dir beliebt.

Ich tippe hier ein paar Zeilen, dann stocke ich. Was wollte ich gerade schreiben? Der Faden ging verloren. Nur leider ist er durchsichtig und nicht mehr zu finden, so sehr ich ihn auch suche.

Ich tippe deshalb ein wenig weiter und frag mich dann, warum ich diesen Satz gerade so geschrieben habe, wie er da steht. Die Korrekturtaste ist im Moment die von mir am häufigsten benutzte Taste. Ich vermute, sie freut sich darüber. Denn sonst brauche ich sie eher selten.

Endlich habe ich einen kleinen Text, den ich so vielleicht im Blog veröffenltichen könnte. Aber sofort steht mein innerer Kritiker auf und stellt mir die Frage, was ich damit wohl bewirken will. „Kontrolliere“, sagt er „ob du das, was du aussagen willst auch geschrieben hast.“

Und selbstverständlich höre ich auf diese Stimme und kontrolliere. Sofort. Die Muse, die gerade mal kurz um die Ecke gelinst hat, ist sofort wieder verschwunden.

Was wollte ich nochmal aussagen mit dem Text? Wo ist der rote Faden? Kommt beim Lesen Stimmung auf? Kann der Leser und die Leserin sich ein schönes Bild machen von meinem Text? Fehlt irgendwo noch etwas, was die Sache deutlich macht? Habe ich irgendwo zu viele Wörter, oder woanders etwa zu wenig?

Es ist zum „aus-der Haut-fahren“! Am liebsten würde ich mit der Faust auf den Tisch hauen und den hässlichen Kritiker zum Hochhausfenster aus dem 279. Stock werfen!

Über all der Beantwortung der Fragen zerreiße ich meinen Text und am Ende ist überhaupt nichts übrig. Apropos übrig. Von diesem Text hier ist bald auch nichts mehr übrig, weil ich andauernd daran rumdoktere. Dabei bin ich doch gar kein Arzt. Schon gar kein Textarzt. Denke ich zumindest.

Und damit ich nicht alles total kaputt mache, müsste ich hier einfach nur noch drunterschreiben, dass das der 24. Artikel ist, den ich in den Blognächten mit Anna verfasst habe. Heute sei die 45. hat sie gesagt. 24 ist mehr als die Hälfte von 45. Ist doch gut, oder? Soll ich mir jetzt auf die Schulter klopfen und den Artikel veröffentlichen, oder lieber doch einfach wieder die Korrekturtaste betätigen und alles löschen?

Eigentlich haben sich für mich die Blognächte gelohnt. Denn jeder Artikel hat auf meinen Blog eingezahlt, der somit immer ein kleines Stück gewachsen ist. Ich spreche deshalb hier die Empfehlung aus:

Komme regelmäßig alle vier Wochen zur Blognacht mit Anna. Das ist ein gutes Mittel, einfach zu schreiben und zu veröffentlichen.

„Autsch!“ Da ist mir doch die liebe Gabi auf die Füße getreten. Der Grund ist ihre Blogparade zum Thema: „Erzähl mir von deinem aktuellen Schreibprojekt“. Kaum lese ich ihre Aufforderung, schon schlagen meine Gedanken Purzelbaum. Ich muss hier nämlich gestehen, dass ich zur Zeit nicht nur an einem Schreibprojekt arbeite, sondern an mehreren. Ist mir ein bisschen peinlich, aber es ist wahr. Peinlich deshalb, weil mir eigentlich halbfertige Projekte zuwider sind. Halbfertiges macht mich unruhig und „wuschig“.

Oh. Verzeihung. „Wuschig“ ist ein Wort, das ich vielleicht erst einmal erklären sollte. Hier, bitteschön, meine Definition dazu:

— … Hm. Ist gar nicht so einfach. … —

Also: Wenn ich etwas nicht fertig habe, dann laufe ich unruhig hin und her. Zusätzlich denke ich die ganze Zeit daran rum. Es beschäftigt mich. Auch dann, wenn ich etwas anderes tue. Und natürlich sorgt das dafür, dass ich dem Projekt so bald wie möglich wieder Aufmerksamkeit schenke. Ist ja logisch, denn ich will ja, dass es fertig wird. Ist so eine Manie von mir.

Für mein großes Romanprojekt, das irgendwann einmal eine vierbändige Familiensaga aus dem 10. Jahrhundert wird, ist das ja wirklich nicht schlecht. So bleibe ich immer dran. Band 1 ist in der Überarbeitungsphase und bei Band 2 werden gerade die Figuren entwickelt. Damit es mit dem Schreiben auch wirklich weitergeht und mein Großprojekt nicht in meinen Gehirnwindungen stecken bleibt, treffe ich mich fast täglich mit meiner Online-Schreibgruppe. Das wirkt.

Mein zweites Großprojekt ist mein Blog. Seit jetzt nunmehr fünf Jahren füttere ich ihn. Und gerade jetzt, mit diesem Artikel, ist er wieder ein winzig kleines Stück gewachsen. Zu Beginn ist es mir recht schwer gefallen, an meinem Blog dranzubleiben. Damals habe ich über Unterwäsche gebloggt, weil ich ein kleines Dessous-Unternehmen hatte. In der Zwischenzeit sind die Dessous gegangen, aber der Blog ist geblieben. Jetzt macht es einfach nur Spaß, wenn ich zu allen möglichen Themen etwas schreibe. Am liebsten kleine Geschichten, die ich erlebt habe. Sehr häufig haben die auch mit lokaler Geschichte etwas zu tun. Ist ja logisch, wenn ich sie selbst erlebt habe.

Zu meinem Blog gehört natürlich auch, die entsprechende Website, die in unregelmäßigen Abständen von mir gehegt und gepflegt wird. Auch dieses Schreibprojekt will nicht vernachlässigt werden. Genausowenig wie mein Newsletter, der einmal im Monat zum Ende hin von mir verschickt wird. Das ist kein Verkaufs-Newsletter, wie die meisten seiner Sorte, sondern eher ein Freundesbrief, an dem ich ausgewählte Menschen an den persönlichen Fortschritten meiner Schreiberei teilnehmen lasse. Wenn du auch zu diesen ausgewählten Menschen gehören willst, dann trage dich doch gerne in meinen Newsletter ein.

Last but not least schreibe ich täglich in mein Journal. Das mache ich Abends, denn morgens habe ich noch nicht so viel in meinem Kopf. Der ist in der Nacht irgendwie aufgeräumt worden. Vieles hätte ich schon vergessen, wenn es nicht abends mit meinem Bleistift auf Papier gewandert wäre.

Was sonst noch auf Papier wandert, sind meine Notizen. Gleich wenn mir etwas einfällt, schreibe ich sie auf. Diese Notizen immer dem richtigen Schreibprojekt zuzuordnen, ist meine größte Herausforderung. Ordnung schaffen und den Überblick behalten ist eine wichtige Arbeit, die ich mir immer dann vornehme, wenn die Schreibtischplatte vor lauter Zetteln nicht mehr zu sehen ist.

Es ist gar nicht so einfach, mich auf ein aktuelles Schreibprojekt festzulegen. Bei mir ist alles im Fluss und geht ineinander über. Geschrieben wird jedenfalls täglich.

Ist das bei dir auch so? Schreib es mir doch gerne in einem Kommentar.

Die Gäste der großen Hochzeitsgesellschaft sortieren sich so langsam auf ihre Plätze. Es gibt keine Sitzordnung, weil es so viele sind. Nur für das Brautpaar ist ein extra Tisch vorbereitet.

Neben mir hat sich Manfred niedergelassen. Ein echter Ostfriesenjunge von „hinter dem Deich“. Groß, blond, stämmig. Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren und mag seinen leichten Humor, wenn sich dieser ab und an mal zeigt.

Auch die Plätze gegenüber füllen sich so langsam. Das Spektrum der Sprachvarianten ist groß, das sich hier zum Fest zusammenfindet. Ich höre Dialekte aus Nord- Ost- Süd- und Westdeutschland. Herrlich. Ich mag diese Vielfalt und komme mit den anderen Gästen sehr schnell ins Gespräch.

Manfred nicht. Er ist seinem Naturell entsprechend ziemlich wortkarg. Auf dem Stuhl zurückgelehnt und die Arme über dem blauen Anzug vor der Brust verschränkt, beobachtet er. Seinen aufmerksamen Augen und gespitzten Ohren scheint nichts zu entgehen.

Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass sich ein Mann schräg gegenüber nun zu Manfred rüber beugt. Ich unterbreche mein eigenes Gespräch für einen Moment und höre die Frage:

„Schön, dass Sie hier sind. Wo kommen Sie denn her?“ Der schwäbische Dialekt ist unüberhörbar.

Manfreds Antwort auch. Tief und bassig antwortet er: „Ostfriesland.“

Der Schwabe schiebt eine zweite Frage nach. „Oh. Wie kommen Sie denn dann nach Deutschland?“

Manfreds Gesichtszüge verziehen sich zu einem einzigen Fragezeichen. Meines auch. Dann antwortet er klar und deutlich:

„Mit dem Auto.“

Langsam hebt er sein Glas mit Jever Pils, trinkt und lehnt sich dann mit verschränkten Armen wieder im Stuhl zurück. Jetzt sieht sein Gegenüber aus wie ein lebendiges Fragezeichen.

Mein Blick geht von Manfred zu seinem Gesprächspartner und wieder zurück. In meinem Kopf rotiert es. Soll ich mich ins Gespräch einmischen? Nein.

Lange habe ich geglaubt, dass ich mich bei Deutschlands Geografie ganz gut auskenne. Aber (Achtung Humor!) ich muss das mit dem Land irgendwie falsch verstanden haben. Jedenfalls dachte ich bisher immer, dass Deutschland, geografisch gesehen, alle diese Länder in sich vereint.

OstfriesLAND, SaarLAND, SauerLAND, Das Alte LAND, AlpenvorLAND, NeuseenLAND, HavelLAND, WeserbergLAND, VogtLAND, SchwabenLAND, RheinLAND-Pfalz, EmsLAND, HelgoLAND, UutLANDen, …

—–

Und jetzt du. Aus welchem LAND kommst du? Schreib es mir doch gerne in einem Kommentar.

Danke, liebe Anna, für den Impuls zur heutigen Blognacht.