Das Rezept für den Tassenkuchen sorgt in unserer Familie immer für viel Glück. Und morgen soll es ihn wieder geben. Also stehe ich in der Küche, während mein Mann im oberen Stockwerk dafür sorgt, dass die Kinder mit geputzten Zähnen und gewaschenen Füßen ins Bett gehen.

Wo hatte ich das Rezept nochmal? Ach. Das ist eigentlich so einfach, dass ich es auswendig kenne. Drei Tassen Mehl, zwei Tassen Fanta und eine Tasse Öl. Die Eier und das Backpulver nicht vergessen. Diese Zutaten müssen nicht in eine Tasse.

Alles in eine Schüssel geben und durchmixen. Nein! Halt! Ich wollte doch die doppelte Menge machen, sonst wird der Kuchen zu dünn und der Belag zu dick. Also von allem nochmal so viel. Während das Rührgerät die Zutaten vermischt staubt das Mehl.

„Hatschi.“

„Gesundheit“, ruft eins der Kinder von oben.

„Pst! Du sollst schlafen!“ Mein Mann ermahnt zur Ruhe.

Ich werkle weiter in der Küche herum. Der Teig ist soweit fertig, jetzt wird das Blech mit Backpapier ausgelegt und eingefettet. Mit dem Teigschaber bringe ich jetzt die klebrig süße Masse auf das Blech. Dann nur noch glattstreichen und ab in den Backofen.

In der Zwischenzeit ist es oben still geworden. Auf Zehenspitzen kommt mein Mann die Treppe herunter und macht dann die bis dahin offene Küchentür zu.

„Her mit dem Teig!“ Ich zucke zusammen, als mein Mann diesen Satz mit verstellter Stimme direkt in mein Ohr sagt.

„Bitteschön. Ich hab extra für dich noch ein bisschen am Teigschaber gelassen. Bedien’ dich.“

Während er sich den Teig schmecken lässt, lege ich die Zutaten für den Belag zur Seite. Der Schokoladenguss und die bunten Smarties kommen morgen auf den abgekühlten Teigboden. Dazu sortiere ich die Smarties nach Farben. Je Farbe ein anderes Schüsselchen.

Bald bin ich fertig und habe dann gerade noch Zeit, die Backutensilien abzuwaschen, als der Kuchen schon wieder aus dem Ofen geholt werden kann.

Am nächsten Morgen stehe ich früher auf als sonst, denn der Kuchen muss ja noch fertig gemacht werden. Schnell die Schokolade im Wasserbad flüssig werden lassen und gleichmäßig auf den Kuchen verteilen, bevor sie wieder hart wird. Und dann mit bunten Smarties den Namen und das Alter drauflegen und die Kerzen einstechen.

Jetzt wird es oben in den Schlafräumen lebendig. Das heutige Geburtstagskind weiß, dass es als letztes nach unten kommen soll, ist aber als erstes fertig angezogen.

Schnell noch den Tisch hübsch decken, die Getränke hinstellen und den, in kleine Quadrate geschnittenen, Tassenkuchen in die Mitte plazieren. Schon kommen die Familienmitglieder an und setzen sich. Eins zündet die Kerzen an.

„Du kannst kommen“, rufen wir im Chor und unser Geburtstagskind kommt die Treppe runter. Als sie in der Tür steht fangen wir an zu singen:

„Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst.

Wie schön, dass wir beisammen sind, wir gratulieren dir Geburtstagskind.“

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Viele Jahre lang war der Tassenkuchen der Geburtstagskuchen Nummer eins in unserer Familie. Schon wenn abends der süße Geruch durchs Haus zog, freute sich das Geburtstagskind auf den nächsten Tag. Heute gibt es diesen Kuchen nicht mehr bei uns. Wir sind ihm als Familie entwachsen.

Diese Geschichte ist entstanden im Rahmen der Blognacht mit Anna.

Ich greife nach der Hundeleine. Schon steht sie da und wedelt mit dem Schwanz. Seit wir unsere Mischlingshündin Leika aus dem Tierheim geholt haben, gehört sie zur Familie. Jeden Vormittag, wenn die Kinder in der Schule sind, ist ihre Zeit. Und meine natürlich auch.

Wie fast immer, so auch heute, will ich mit dem Auto ein Stück aus dem Wohngebiet hinausfahren. Kaum habe ich den Kofferraumdeckel geöffnet, springt sie hinein. Ich setze mich hinters Steuer und nach kurzer Zeit habe ich den Parkplatz am Wandrand erreicht. Von hier aus gehen viele verschiedene Wege, die ich oft als Rundweg mit unserer Leika laufe.

Heute entscheide ich mich, zuerst den Hügelanstieg zu machen. Zügig schreite ich voran. Ich freue mich über die Bewegung, die ich beim Hundespaziergang bekomme. Ich schaue in den Himmel, auf dem kleine weiße Wölkchen von einem leichten Wind bewegt werden. An der Leine ist Leika einmal vor mir und einmal hinter mir. Ganz nach ihrer Gewohnheit läuft sie mindestens viermal so viel Schritte wie ich. Nun ja. Sie hat ja auch vier Beine. 🙂

Als wir auf dem Höhenweg ankommen machen wir eine kurze Schnaufpause. Leika bräuchte es zwar nicht, aber ich. Ich freue mich über die Natur. Weite Ackerflächen liegen vor mir und an den Feldrändern stehen die noch nicht abgemähten Grasstücke in hohen Halmen. Leika ist mit der Schnauze nahe auf dem Boden. Mir scheint, als würde sie die „Zeitung lesen“, die andere Hunde vor ihr hier hinterlassen haben.

Weiter geht es, bis der Weg eine Biegung macht und am Wandrand entlang geht. Rechts neben dem Weg ist ein Graben und die typischen, dort wachsenden Büsche. Holunder, Weißdorn, Schlehe, Heckenrosen und viele Haselsträucher.

Ich lasse Leika an der langen Leine und versinke in meinen eigenen Gedanken. In der Natur zu sein, das erfreut mein Herz und ich kann meine Alltagssorgen loslassen. Die Hündin vor mir macht ihren Zickzackweg und schnuppert mal hier mal dort.

Plötzlich bemerke ich, wie sie ihre Ohren spitzt. Und dann ist sie weg. Ich kann sie nicht mehr sehen. Oder doch? Da guckt gerade noch die oberste Spitze ihres Schwanzes aus dem hohen Gras heraus, das den Graben am Waldrand überwuchert hat.

„Leika“, rufe ich. „Was machst du denn?“ Da springt sie mit einem Satz wieder aus dem Graben heraus. Ich muss herzhaft lachen, als ich sehe, wie der Rest eines Mäuschens in ihrem Maul verschwindet.

„Na denn. Guten Appetit. Lass dir deinen Nachtisch gut schmecken.“

Leika schüttelt sich kräftig das Wasser aus dem Fell und kommt schwanzwedelnd auf mich zu. Sie zeigt ihr typisches Hundegesicht, was wohl heißen soll: „Ich kann gar nichts dafür.“ Dann putzt sie ihre Schnauze an meiner Hose ab und läuft wieder davon.

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Anke Cras hat zur Blogparade aufgerufen mit dem Thema: „Meine unvergesslichsten Tiermomente“. Obige Geschichte war es bei mir. Immer wenn ich daran denke, muss ich schmunzeln und meine Freude von damals wird wieder lebendig. Deshalb passt dieser Beitrag auch zur Blogparade von Lydia Gajewsky. Ihr Thema ist: „Lebensfreude“.

Mir geht es schlecht. Ich bin total überfordert. Meine Arbeit mit unseren drei Kindern wächst mir über den Kopf. Und nun das!

„Sag mal,“ fragt mich Hilde, „Bist du schon wieder schwanger?“ Hilde ist eine ältere Frau, die mich öfter besucht und mich aus ihrem eigenem Wunsch bei meiner Familienarbeit unterstützt.

„Ja. Woran merkst du das?“

„Ach. Das sieht man dir an.“

„Moment. Bin gleich wieder da.“ In Windeseile renne ins Bad und übergebe mich. Als ich zurückkomme sitzen unsere zwei großen Mädchen neben ihr und lauschen, wie sie aus einem Bilderbuch vorliest. Die Eineinhalbjährige liegt schlafend im Körbchen daneben.

„Danke, dass du da bist. Solange die Kinder bei dir sind, leg’ ich mich noch ein bisschen hin.“ Auf wackligen Beinen gehe ich zum Sofa und mach es mir mit einer Decke und einem Kissen so bequem wie möglich. Hildes ruhige Vorlesestimme bringt die Kinder und mich für einen kurzen Mittagsschlaf ins Land der Träume.

Als ich Abwaschgeräusche aus der Küche vernehme, werde ich wach. Es geht mir etwas besser und gleich meldet sich das schlechte Gewissen.

Bist doch eine schlechte Hausfrau und Mutter. Hilde bekommt alles viel besser auf die Reihe als du.

In der Küche ist sie schon fast damit fertig, alles picobello sauber zu machen. Sie lässt mich auch nicht mehr helfen und so stehe ich in meiner eigenen Küche etwas deplaziert herum. Dann dreht sich Hilde um, lehnt sich an das glänzende Abwaschbecken und schaut mir tief in die Augen.

„Ich finde, das mit der jetzigen Schwangerschaft, das hättest du dir mit deinem Mann vorher überlegen sollen. Es ist dir alles zu viel. Und das nächste Kind wirst du nicht mehr schaffen. Ich habe mir überlegt, dass du es wegmachen lassen kannst. Ich kenne da einen Arzt, bei dem ist das in null Komma nichts erledigt. Du brauchst gar nichts zu machen, außer zu dem Termin zu erscheinen, den ich für dich machen werde.“

Mir wird wieder schwindlig und unsere Große erscheint mit verschlafenen Äuglein in der Küchentür.

„Danke Hilde.“ Im Beisein unseres Töchterchens will ich über das Thema nicht mit Hilde diskutieren. Außerdem fühle ich mich schwach. Aber in mir brodelt es.

Was bildet die Frau sich eigentlich ein, sich in meine Angelegenheit einzumischen?

Hilde langt nach ihre Jacke und geht zur Tür. „Überleg es dir bald. Sonst ist es zu spät. Morgen komm ich wieder zur gleichen Zeit.“ Sie winkt noch unserer Großen zu und geht dann.

Ich weiß nicht, wie der restliche Nachmittag vergangen ist. Jedenfalls bin ich sehr froh, als mein Mann abends von der Arbeit nach Hause kommt. Mit ihm gemeinsam schaffe ich es besser, meinen Alltag zu bewältigen. Nachdem die Kinder zu Bett gebracht sind, erzähle ich ihm, was Hilde gesagt hat.

Er tippt sich mit dem Finger an die Stirn und sagt: „Die spinnt ja! Keines unserer Kinder wird einfach so weggemacht! Wir wollen das Vierte genau so gerne, wie die anderen drei davor. Du und ich, wir schaffen das gemeinsam. Lass dir von Hilde bloß nichts einreden.“

„Ich bin ganz deiner Meinung. Aber heute Nachmittag war ich einfach zu schlapp, um Hilde zu widersprechen.“

„Ich ruf Hilde an, dass sie die nächsten Tage mal nicht kommt. Sie tut dir nicht gut. Auch wenn im Moment nicht alles perfekt ist. Hauptsache du bist für unsere drei Mädchen da. Das ist das Wichtigste.“

Mein Mann klärt die Sache mit Hilde und mit der Zeit geht es mir auch wieder besser. Neun Monate später dürfen wir mit unserer jüngsten Tochter das Mädchen-Quartett voll machen.

Wir haben damals JA zum Leben unserer jüngsten Tochter gesagt und haben es nie bereut. Und sie natürlich auch nicht.

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Vielen Dank an Gabi Kremeskötter, die zur Blogparade „Wie/Wozu hast zu JA gesagt – und was ist daraus geworden?“ aufgerufen hat.

Stoppschild

Schön war der Tag bei den Kindern. Der Motor meiner Nobelkarosse untem Hintern summt leise. Einen Finger der linken Hand habe ich am Lenkrad eingehängt. Mit der rechten Hand dirigiere ich meinen eigenen Gesang, der die laute Musik aus den Lautsprecherboxen begleitet. Bis Mitternacht ist es nur noch eine Stunde. Die werde ich ungefähr brauchen, bis ich wieder zu Hause bin.

Ich mag nächtliche Autofahrten. Da muss ich die Straße nicht mit so vielen anderen Fahrern teilen, mit deren Fahrstil ich manchmal gar nicht einverstanden bin. Aber jetzt bin ich ja auf der B-Straße unterwegs, die die Städte Berlin und Hamburg verbindet. Mein Weg führt durch Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Lange Alleen, kilometerweite Wälder. Da kommt mir sowieso nicht viel entgegen. Außer vielleicht das eine oder andere Wild. Aber da hoffe ich doch intensiv, dass es im Wald bleiben möge.

Ups. Was ist denn das?

In der Dunkelheit taucht ein rotes Licht auf. Ich gehe vom Gaspedal. Dann erkenne ich das Wort „Stopp“ das von der Kelle leuchtet, die mir ein Polizist entgegen hält.

War ich zu schnell? Diese Frage schießt mir in Sekundenschnelle durch den Kopf. Ich fahre langsam rechts ran, drehe die Musik leiser und lasse die Scheibe runter.

Der Polizist neben mir mustert mich. „So, junge Frau. Zeigen Sie mal Ihre Papiere“.

Aber klar doch. Das mache ich. Kein Problem. Ich habe immer alles beisammen. Ordnung ist das halbe Leben.

Das Kompliment „junge Frau“ geht mir runter wie Öl. Mit schon fast 40 Jahren Fahrpraxis ist man eben nicht mehr 18 Jahre alt und weiß, dass man auch nicht mehr so aussieht.

Ein zweiter Polizist tritt heran und nimmt dem ersten meine Papiere ab. Er schaut mich kurz an und entfernt sich dann in Richtung Streifenwagen. Der Dagebliebene nimmt mich ernsthaft ins Visier und fragt dann: „Sagen Sie mal, was haben Sie heute Abend getrunken?“

Mit meiner guten Laune versuche ich einen Scherz zu machen. „Also es war mindestens ein großes Glas Klar…es Wasser.“ Der Beamte in Dienst lässt sich kaum ein Lächeln entlocken.

„Na. Dann beweisen Sie mir das mal!“ Er hält mir die Tüte hin, die man beim Alkoholtests für diesen Zweck verwendet. Monoton erklärt er mir die Handhabe. Während sein Kollege mit meinen Papieren zurückkommt, puste ich kräftig in das Röhrchen. Ich bin mir ganz sicher, dass der Zeiger nicht ausschlagen wird. Schließlich weiß ich ja, was ich getrunken habe. Alkohol am Steuer war für mich schon immer tabu. Ich bin ja brav. Dazu brauche ich keine 0,8-Promille-Regelung.

Die beiden Beamten sind zufrieden mit mir und lassen mich weiterziehen. Scheibe hoch. Zurück auf der Straße drehe ich die Musik wieder auf.

Lustiges Erlebnis. Die allererste Alkoholüberprüfung seit ich Auto fahre. Nun ja. Alles ist irgendwann das erste Mal.

Ich grinse ich vor mich hin und fange wieder an zu singen. Durch diese Verzögerung werde ich es bis Mitternacht kaum nach Hause schaffen.

Meine Musik nimmt an Tempo zu. Ich auch. Nur leicht tippe ich das Gaspedal an. Aber schon zeigen sich die PS unter der Motorhaube auf der Geschwindigkeitsanzeige vor mir. So lässt sich wunderbar die Landesgrenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern überschreiten.

Hui. Wie ich durch den Wald sausen kann. Das macht richtig Spaß. Achtung, liebes Wild, bleib bitte von der Straße weg, denn das könnte dir und mir empfindlich weh tun.

Nach etlichen Kilometern bemerke ich rechts und links vereinzelt Häuser.

War da ein Ortsschild, oder kommt das erst?

Da zerreißt ein blau-weißer Blitz den Nachthimmel.

Was war das?

Nur wenige Augenblicke später sehe ich zum zweiten Mal in den letzten Minuten dieses Tages eine Kelle mit dem roten Stopp-Schild. Wieder ranfahren. Wieder die Papiere zeigen.

Der eine Kollege aus dem Polizistenteam baut sich neben meiner Fahrertür auf. Mit tiefer, kratziger Stimme sagt er: „Gute Frau! Fast doppelt so viel Geschwindigkeit wie erlaubt. Das wird teuer. Das kann ich Ihnen sagen.“ Ich zucke die Schultern.

Heute kann mir keiner mehr die gute Laune verderben.

Auch hier versuche ich einen Scherz. „Tja. So etwas passiert eben, wenn man um kurz vor Mitternacht nicht damit rechnet, dass innerhalb von wenigen Kilometern gleich zweimal ein Team von Ihnen am Straßenrand steht.“

Der Beamte verzieht keine Mine, hebt aber den Zeigefinger. „Sie sollen sich zu jeder Zeit im Straßenverkehr korrekt an die Regeln halten und nicht nur, wenn die Gefahr besteht, erwischt zu werden.“

Ich versuche noch einmal, den Polizisten aus seiner Reserve zu locken.

So humorlos kann er doch nicht sein!

„Sagen Sie mal. Ich habe bis nach Hause noch ungefähr 40 Kilometer zu fahren. Sind unterwegs auf meiner Strecke eigentlich noch mehr von Ihnen? Ich würde dann gerne rechtzeitig runterbremsen.“

Endlich sehe ich einen leichten Schalk in den Augen des Polizisten. „Also so etwas Unbelehrbares ist mir in meinem ganzen Dienstleben noch nicht vorgekommen! Ich wünsche Ihnen gute Fahrt. Und halten Sie sich an die Regeln!“

Damit winkt er mich an sich vorbei. Weit nach Mitternacht bin ich endlich zu Hause.

Als einige Wochen später der blaue Brief vom Ordnungsamt kommt, zahle ich die hohe Eurosumme mit Genugtuung. Im Verwendungszweck der Überweisung steht: Extra Spende für extra Leistung.

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Und du? Bist du auch einmal mit der Polizei in Konflikt geraten? Schreibe es mir gerne in den Kommentar.

Diese Geschichte entstand im Rahmen der Blognacht.

Marianne hievt ihren Rollator aus der offenen Bustür und stellt langsam ein Bein nach dem anderen auf den Bürgersteig. Dann macht sie zwei Schritte und bleibt stehen, während der Busfahrer die Tür schließt und davonfährt. Schwer atmend setzt sie sich auf die Sitzfläche ihres Rollators und legt ihre Ellbogen rechts und links auf die Griffe.

Auf der anderen Straßenseite geht Ingrid und ruft: „Hallo, Hallo! Ich komme gleich.“ Dabei winkt sie kräftig und schiebt einhändig den wackelnden Rollator vor sich an die Bordsteinkante. Fast bekommt Marianne es mit der Angst zu tun, als sie sieht, wie ein dicker LKW anrollt, der ihre Freundin für einen Augenblick ihren Blicken entzieht.

Während Marianne durch ihre dicke Brille beobachtet, wie Ingrid hektisch ruckelnd ihren Rollator auf die Straße schiebt und zu ihr herüberkommt, spürt sie einen Druck in ihrer Blase. Ich hätte nicht so viel Kaffee trinken sollen, ehe ich losgefahren bin, überlegt sie.

Als Ingrid ihren Rollator direkt vor ihren Knien parkt und Anstalten macht, sie zu umarmen, wehrt Marianne ab. „Nicht so stürmisch, sonst fallen wir beide um. Wie lange dauert es noch bis zu dem Café wo du für uns beide reserviert hast?“

„Das ist nicht weit.“ Ingrid zeigt mit dem Daumen über ihre Schulter nach hinten. Marianne folgt mit den Augen.

„Na, wenn du die Entfernung nur mal nicht unterschätzt. Wir sind mit unseren rollenden Gehilfen bestimmt nicht so schnell. Wir sollten uns aber beeilen. Du weißt ja. In unserem Alter muss man öfter.“

„Ach. Das wirst du schon noch halten können“, sagt Ingrid und Marianne freut sich, dass ihre Freundin ihr das noch zutraut. Sie ist sich selbst aber nicht ganz sicher und klemmt ihre Oberschenkel zusammen.

Die beiden Seniorinnen legen achtsam und bedächtig die holprige Kopfsteinpflasterstrecke bis zum Café zurück. Mit jeder Unebenheit verstärkt sich der Druck in Mariannes Blase. Vor dem Café müssen die beiden Freundinnen auf die andere Straßenseite wechseln. Der Fußgängerüberweg ist durch eine Ampel geregelt. Mit schnellen, kräftigen Hieben fordert Marianne das Signal an. Endlich bemerkt sie, dass die Autos anhalten.

„Mensch! Mach schon,“ grummelt sie vor sich hin und trippelt von einem Fuß auf den anderen.

„Nein. Lieber jetzt noch nicht.“ Ingrid blinzelt sie schalkhaft an. „Warte lieber, bis du drüben aufs Örtchen kannst.“

„Du! Bring mich nicht zum Lachen! Ich will nicht vor der Zeit loslassen.“ Marianne grinst schräg. Unruhig schiebt sie ihrem Rollator hin und her. Endlich springt das Ampelzeichen auf Grün. Hohe Pipstöne aus dem Ampelschaltkasten begleiten sie bis zur anderen Straßenseite.

Marianne nimmt sofort Kurs auf die Eingangstür. Mit ihrem Rollator geht sie dicht ran und zieht am Griff. „Die geht aber schwer,“ stöhnt sie und verstärkt den Druck ihrer Oberschenkel.

„Jetzt aber hurtig!“ Ingrid setzt sich auf ihren Rollator, drückt die Tür nach hinten und klatscht in die Hände. „Geh schon mal vor. Da geht’s lang.“ Mit dem Kopf nickt sie schräg nach hinten.

Schneller als sonst schiebt Marianne ihren Rollator in die angezeigte Richtung und ist kurz darauf hinter der Tür verschwunden, die als „für Damen“ markiert ist.

Als sie zurückkommt, hat Ingrid einen schönen Fensterplatz ergattert. Marianne schiebt ihren Rollator an die Seite und setzt sich ihrer Freundin gegenüber. Ein tiefer Seufzer entweicht ihrer Brust. „So. Erleichtert. Das war höchste Zeit zum Loslassen.“

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Kamst du auch einmal in eine Situation, in der du dringend etwas loslassen musstest? Schreib mir gerne einen Kommentar.

Dieser Beitrag ist entstanden aufgrund eines Impulses aus der Blognacht von Anna Koschinski.

Beschwingt gehe ich die letzten Schritte zu meinem Brötchengeber. Ich öffne die Tür und wünsche allen einen wunderschönen guten Tag. Das Echo kommt von drei Kolleginnen, mit denen ich das Büro teile.

An einem der vier Schreibtische sitzt die große, schlanke Kollegin auf dem einzigen höhenverstellbaren Bürostuhl und tippt eifrig.

„So. Fertig. Du kannst.“ Sie steht auf und macht mir Platz.

„Ups. Heut ist klettern angesagt“, rufe ich und hüpfe hoch. Dann greife ich an die Seite des Stuhls, fahre runter und justiere meine Sitzhöhe.

Während ich meine Nachrichten prüfe, verteilen sich die Kolleginnen im Haus. Später tue ich es ihnen nach.

Nach einigen Stunden komme ich zurück. Nicht mehr lange, dann ist Feierabend. Wie alle meine Kolleginnen beginne und beende ich die Zeit bei meinem Arbeitgeber mit „kurz in den Computer gucken“ wie wir gerne untereinander sagen.

Einen Moment muss ich noch warten, dann steht unsere kleinste und jüngste Kollegin auf und überlässt mir den Platz.

Beim Hinsetzen falle ich tief und komme hart auf. „Au!“

Sie lacht und sagt: „Na, mal wieder vergessen, dass ich fast ganz unten sitze?“

Mir entgeht die Mehrdeutigkeit ihrer Worte nicht. Schmunzelnd fahre ich die Sitzfläche des Bürostuhls hoch und justiere ein zweites Mal an diesem Tag meine Sitzhöhe.

Auf dem Weg nach Hause denke ich darüber nach, was ich durch den einen Stuhl schon alles lernen konnte. Geduld, Höflichkeit und Rücksicht zum Beispiel. Aber es könnte auch etwas anderes sein.

Was meinst du? Schreib mir doch gerne einen Kommentar.

Mein Lieblingsmensch ruft mich und zeigt mir ein Foto auf dem Computerbildschirm.

„Schau mal. Das finde ich ganz toll. Das möchte ich mir gerne bestellen.“

„Hm.“ Ich runzle die Stirn und kratze mir am Kopf. „Denkst du nicht, dass das ein bisschen zu groß ist?“

„Aber nein. Ich habe genau gemessen. Das müsste passen.“

„Wo willst du es überhaupt hinstellen?“ Ich bin noch nicht überzeugt und wiege den Kopf.

„Lass das nur meine Sorge sein. Da findet sich schon ein Plätzchen.“ Er schaut mich mit bittendem Hundeblick an, so dass ich nicht widerstehen kann.

„Na dann. Wenn du es so gerne möchtest, möchte ich dir bei der Erfüllung deines Wunsches nicht im Weg stehen.“

Kaum habe ich das gesagt, klickt er auf „bestellen“. Nun heißt es Abwarten, bis das Paket kommt. Als ich es dann als Sperrgut annehmen muss, bin ich doch etwas erschreckt. Hat sich mein Lieblingsmensch vielleicht doch vermessen? So vermessen ist er sonst nicht. Ich wuchte es zusammen mit dem Auslieferungsfahrer zur Tür rein und stelle es ab. Mein Lieblingsmensch wird es nicht übersehen.

„Hurra! Es ist da!“ Das ist sein Freudenschrei, als er nach Hause kommt. „Hilfst du mir, es aufzustellen?“ Er blinzelt mich an. „Ich glaube, ich könnte deine Hilfe dabei ganz gut gebrauchen.“

„Warum nicht? Ich habe nichts zu tun, was nicht auf später verschoben werden könnte. Wo willst du es denn hin haben?“

„Komm ich zeige es dir.“ Mein Lieblingsmensch nimmt meine Hand und zieht mich dorthin, wo er es sich vorgestellt hat.

Ich überblicke die Umgebung und nicke dann. „Ja. Das könnte tatsächlich passen. Sogar zum Aufbauen haben wir noch genügend Platz.“

Er reibt sich die Hände und sagt: „Na dann. Lass uns starten. Bleib du einfach mal kurz hier. Ich muss noch was holen.“

Ich bleibe stehen und halte mich an dem Sperrgut fest. Bin wirklich sehr gespannt, wie es aussehen wird, wenn es aufgebaut ist. Der Lieblingsmensch läuft beschwingt hierhin und dorthin und kommt mit einem Cuttermesser und einem Schraubendreherset zurück.

Ein langgezogenes „Ratsch“ und die Verpackung fällt. Schnell umgreifen, damit mir der Inhalt nicht auf die Füße fällt. Und dann geht es zügig Hand in Hand. Mein Lieblingsmensch sagt an und ich reiche ihm zu. Schritt für Schritt findet so Teil für Teil seinen Platz. Hier festhalten und da anschrauben. Manche Teile brauchen einen bestimmten Winkel zueinander, der genau eingehalten wird. Staunend sehen wir, wie die Teile zu einem Ganzen werden.

Als die letzte Schraube angezogen ist, rufe ich: „Super! Ich bin begeistert!“ Und schon will ich mich auf die Sitzfläche der Bankschaukel aus Schweden niederlassen.

Da hält mich mein Lieblingsmensch zurück. „Nicht so schnell, meine holde, liebe Helferin. Da fehlt nur noch die Auflage.“ Er packt sein Werkzeug ein und verschwindet. Während er weg ist, räume ich die Verpackung weg. Als er zurück kommt, klemmt eine nette farbige Schaumstoffauflage unter seinem Arm. Zwei volle Sektgläser trägt er in der Hand.

„Wenn das kein Grund zum Feiern ist,“ sagt er und reicht mir eins der beiden Gläser. Dann lassen wir uns gemeinsam auf der Schaukel nieder.

„Prost!“ Wir schauen uns in die Augen und schubsen uns ab.

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Die Blognacht führt regelmäßig dazu, dass aus einem guten Impuls eine gute Geschichte wird. Vielen Dank liebe Anna, fürs Bereitstellen dieses Formats.

Ihr Atem ist flach. Dort wo Körper und Boden sich berühren piksen spitze Steine wie tausend Nadelstiche. Keine Stelle ist von stechenden Schmerzen verschont. Schwer wie Blei verschließen ihre Lider die Augen.

Das Rauschen, das sie vernimmt, kommt von weit her und wird lauter. Eine Hand berührt sie sacht.

„Steh auf!“

Die kleine Frau steht am Band der Supermarktkasse und räumt ihre Waren aus. Es ist nicht viel. Hinter ihr steht ein großer Mann, der seine Sachen nach ihr auf dem Band platziert. Nacheinander werden die Waren über die Lichtschranke gezogen. Dann nennt die Kassiererin den Betrag.

Sie macht ihre Handtasche auf und ist entsetzt. Kein Portemonnaie. Fieberhaft überlegt sie, wo das sein könnte. Sie öffnet alle Fächer und greift hinein. Nichts. Vielleicht in einer Jackentasche. Sie wurschtelt rechts und links. Nein. Auch nichts. Oder in den Hosentaschen? Sie prüft alles, findet das Portemonnaie aber nicht. Je mehr sie sucht, desto unangenehmer wird es ihr. Fieberhaft überlegt sie, was sie nun machen soll.

Die Kassiererin blickt sie ungeduldig an und aus dem Lautsprecher ertönt: „Wir öffnen eine zweite Kasse. Bitte legen Sie Ihre Waren auf das Kassenband.“ Wie in Trance registriert sie, dass die ganze Kundenschlange hinter ihr schnell an die andere Kasse wechselt. Nur der Mann bleibt stehen. Mit einem Seufzer wendet sie sich an die Kassiererin.

„Ich kann nicht bezahlen. Ich habe kein Portemonnaie bei mir.“ Schon will sie die Sachen zurücklegen, da sagt der Mann:

„Nein. Lassen Sie mich das bezahlen.“ Er reicht der Kassiererin die abgezählte Summe ihres Einkaufs.

Erleichtert verlässt sie den Supermarkt und wartet vor der Tür, bis der Mann herauskommt.

„Bitte warten Sie. Ich will Ihnen das zurückzahlen. Gleich um die Ecke bin ich zu Hause. Es wird nicht lange dauern.“

Der Mann wehrt ab. „Nein, lassen Sie das. Geben Sie den Betrag einfach jemandem, der es braucht, wenn Ihnen das sonst peinlich ist.“ Schnell geht er zu seinem Auto und fährt davon.

Dankbar geht die Frau nach Hause. Dort entnimmt sie ihrem Portemonnaie, das ganz offen auf dem Küchentisch liegt, die Summe des Betrags für ihren Einkauf. Bei Gelegenheit will sie es für jemand Bedürftigen einsetzen.

Schon am nächsten Tag sieht sie den stadtbekannten Obdachlosen. Sie erkennt ihn sofort. Ohne lange zu überlegen geht sie auf ihn zu und sagt:

„Nehmen Sie bitte das und kaufen Sie sich etwas zum Essen.“ Sie drückt ihm das Geld in die Hand und geht schnell weiter.

Überrascht ruft der Obdachlose ihr ein „Dankeschön“ hinterher. Gleich danach geht er zur nächsten Bäckerei und kauft sich Brot und Brötchen. Gerade als er damit herauskommt, rennt ein spielender Kindergartenjunge gegen seine Beine und fällt um. Der Schreck und das Geschrei ist groß. Freundlich beugt sich der Obdachlose zu dem Jungen hinunter, hilft ihm auf und streicht ihm tröstend über das Haar.

„Hier nimm das. Damit geht es dir gleich wieder besser.“ Er legt eines der Brötchen, das er eben gekauft hat, in die Hand des kleinen Jungen. Der beißt kräftig hinein. Sofort versiegen die Tränen und er läuft glücklich davon.

Ein paar Häuser weiter bleibt er jedoch wieder stehen. Ein kleiner Hund ist dort angebunden und bellt pausenlos. Der kleine Junge bricht ein Stück von seinem Brötchen ab und hält es dem Hund hin. Der Hund nimmt es dem Jungen vorsichtig aus der Hand und genießt dann, wie er gestreichelt wird. Dabei vergisst er ganz, weiter zu bellen.

Kurze Zeit später kommt eine Dame aus der Tür des Hauses.

„Oh Waldi. Das ist aber schön, dass du nicht mehr bellst.“ Dann winkt sie dem lächelnd dem kleinen Jungen zu und verschwindet um die Hausecke.

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Zu schön um wahr zu sein? Nein! So etwas passiert, wenn ein Mensch anfängt, an den Anderen zu denken.

Ganz herzlichen Dank an meine liebe Kollegin, die mir ihre Geschichte erzählt hat.

Ist dir so etwas auch schon einmal passiert? Schreib es mir doch gerne in einem Kommentar.

Die Anzeige der Tanzschule fällt mir sofort ins Auge. Ich will schon lange mal einen Kurs für Paare machen, aber es ist immer etwas dazwischen gekommen. Eine kurze Rücksprache mit meinem Mann bringt für mich die Überraschung, dass er ebenfalls Lust hat.

Gleich am nächsten Morgen melde ich uns an.

Huch. Bin ich aufgeregt. Was ziehe ich an? Der Kleiderschrank-Check fällt einigermaßen gut aus. Wenigstens das eine oder andere hübsche Stück hängt da noch drin. Aber wie sieht es mit den Schuhen aus? Tanzschuhe sind wichtig! Das Wichtigste überhaupt beim Tanzen. Finde ich jedenfalls.

Der Schuh-Check sieht verheerend aus. Die letzten Jahre habe ich wegen meiner Rückenschmerzen immer flache und bequeme Schuhe getragen. Meistens so lange, bis sie fast auseinander fielen. Seit der Operation geht es mir zwar sehr gut, aber neue Schuhe haben immer noch nicht zu mir gefunden. Warum? Das weiß ich schon gar nicht mehr.

Also Portemonaie einstecken und Schuhe shoppen gehen.

Ich steuere den örtlichen Discounter an. Huch. Wie hat sich die Schuhmode in den letzten paar Jahren verändert hat. Also zu meiner Jugendzeit waren noch Highheels topmodern. …

Ich stöbere durch die Reihen. Was mir gefällt, ziehe ich in meiner Größe heraus, wenn es vorhanden ist. Oha! Da kommt ein ganz hoher Stapel Schuhkartons zusammen.

Hilfe, wo finde ich ein Plätzchen zum Hinsetzen und Ausprobieren?

Ach hier. Mitten zwischen den Reihen. Ich setze mich auf den Hocker und stelle die ausgesuchten Kartons neben mich. Die alten Treter ziehe ich aus und die Probierstrümpfe über die Füße. Mit Hingabe schlüpfe ich in jedes Paar, begutachte es im Spiegel gegenüber und gehe ein paar Schritte. Die Geräusche um mich herum, die mich bisher noch gestört haben, verblassen.

Schuhpaar für Schuhpaar probiere ich. An manchem habe ich bei näherem Hinsehen was auszusetzen und stelle sie zurück. Zwischen den letzten zwei wunderbar passenden Paaren kann ich mich lange nicht entscheiden. Dann nehme ich einfach beide.

Zu Hause stelle ich sie gleich meinem Mann vor. Von dem einen Paar ist er nicht ganz huntertprozentig überzeugt. Aber das andere findet er sehr hübsch. Richtig ausgestattet steht unserem Tanzkurs jetzt nichts mehr im Weg.

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Und wie ist es bei dir? Hast du auch passende Tanzschuhe?

Vielen Dank an Anna, für den Impuls zur Blognacht.