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Freiheit am Ostseestrand

Ich bin an meinem Lieblingsort an der Ostsee. Der kleine Erholungort ist noch wie verträumt. Jetzt in der Nebensaison ist der große Trubel der Sommertouristen nicht zu spüren, die sonst hier die Strandpromenade entlang gehen. Hier zu sein, das ist eine Freiheit, die ich mir ab und zu gönne. Und dank dem Impuls von Anna in der Blognacht, wurde er heute verschriftlicht.

Es ist kaum zu glauben, dass es nach dem gestrigen Sturm so still ist. Ich gehe am Strand entlang und mein Blick geht weit über das ruhige Wasser. Ich fühle die Freiheit, die ich immer am Meer empfinde.

Da entdecke ich etwas weiter entfernt einen großen Stein, der mir geeignet scheint, ein bisschen darauf zu sitzen und zu verweilen. Als ich bei meinem ausgewählten Stein ankomme, merke ich, dass er vollständig im Wasser steht. Das hatte ich von der Ferne nicht gesehen.

Will ich jetzt weiter meinem Freiheitsbedürfnis nachgehen, oder siegt mal wieder mein Verstand? Heimtückisch flüstert er mir ins Ohr. „Du wirst nass werden, wenn du dich da drauf setzt. Und denk dran, der Stein ist kalt. Du wirst dir sicher eine Blasenentzündung holen.“ Dann schiebt er noch hinterher: „Lass es doch bleiben. Du hast doch für heute wahrlich schon genug Freiheit gehabt.“

Doch heute lasse ich mich nicht durch die Bedenken meines Verstandes einschüchtern. Ich überlege, wie ich trotzdem auf meinen ausgewählten Stein sitzen kann. Mit prüfendem Blick inspiziere ich einen kleinen Stein, der davor liegt. Mit dem richtigen Winkel könnte ich über diesen zu dem großen gelangen. Ich probiere es vorsichtig. Es klappt. Hurra. Ich habe mein Freiheitsplätzchen ergattert.

Da spüre ich, dass der Stein unter mir doch sehr kalt ist und das Argument mit der Blasenentzündung wird spürbar. Ich zögere kurz, dann nehme ich meine Wollmütze vom Kopf und setze mich drauf. Der leichte, kalte Wind spielt mir um die Ohren. Es ist sehr angenehm. Und nur 15 Zentimeter unter meinem Schuh spülen die Wellen um den Stein. Es könnte sein, dass ich nass werde, falls es mal eine größere Welle gibt. Aber dieses Risiko gehe ich heute ein. Jetzt will ich alles ausblenden und meine Freiheit genießen.

Ich ziehe das friedliche Bild in mich ein, das mich umgibt. Da ist der Sand, der heute in der frühen Märzsonne goldgelb leuchtet und gespickt ist mit vielen Häufchen winzig kleiner Muscheln. Kaum höre ich das immer wieder kehrende Geräusch der zurückweichenden Wellen. Um so deutlicher prägt sich der bizarre Ton ein, den tausende kleine Muscheln machen, wenn eine winzige Windbrise sie am Strand entlang bewegt.

Ich genieße meine Freiheit und lasse alle Gedanken los. Sie gehen mit jeder Welle zurück ins Meer. Wie liebe ich dieses Gefühl des Loslassens! Des leer werdens! Ganz bei mir selbst zu sein! Diese Freiheit, ich selbst sein zu können. Jetzt gerade in diesem Moment. Ich möchte noch lange verweilen und vergesse fast die Zeit. Erst als sich durch Magenknurren der Hunger meldet, verabschiede ich mich von dem Platz, an dem ich die Freiheit so deutlich spüren konnte.

Hattest du auch schon mal ein Erlebnis, bei dem du die Freiheit ganz besonders gespürt hast? Schreibe es mir doch gerne in einem Kommentar.

Auswahlbier

Meistens tut Abschied weh. Oder zumindest ist es nicht so ganz einfach, etwas los zu lassen. Auch bei mir gab es innerlich einige Hürden, bis ich mich vom brav sein verabschiedete, denn ich hab ganz schön daran festgehalten. Es war für mich bequem und einfach, keinen Blödsinn zu machen, der irgendwelche komischen Konsequenzen nach sich zog.

Vielen Dank an Anna Koschinski, die bei der #Blognacht im November 2021 den Impuls gab, darüber nachzudenken, was man losgelassen hat, um etwas anderes zu gewinnen.

Edith Leistner und der brave Hund

Mein Brav sein und seine Bedeutung

Ich wurde als zweitälteste von 5 Geschwistern geboren. Zu Hause gab es klare Regeln, die einzuhalten waren. Falls nicht, folgten logische Konsequenzen. Als Kind hab ich vielleicht das eine oder andere Mal diese Regeln übertreten und die Konsequenzen dafür tragen müssen. Aber ich habe schnell gemerkt, dass es einfacher war, die von unseren liebenden Eltern festgelegten Regeln zu befolgen.

Eine dieser Regeln lautete: Halte Ordnung. Das bedeutete natürlich, dass ich im Haushalt mithelfen musste. Aber ich empfand das nicht als Muss, weil ich mir aussuchen durfte, wobei ich helfen durfte. Und das war das Kochen von Mahlzeiten in den Ferien oder das Mithelfen beim Ernten und Einkochen der Früchte im Garten.

Ordnung zu halten bedeutete bei uns auch, dass Mama darauf achtete, dass die Wäsche immer tip top sauber war. Das fing dabei an, dass wir regelmäßig unsere Unterwäsche wechseln mussten und unsere Kleidung immer ganz war. Zerrissenes anzuziehen, das gab es nicht. Das galt als schlampig. Ich kann mich daran erinnern, dass meine Mama mir recht früh meinen ersten BH kaufte, weil es meinem Papa wichtig war, dass ich als Mädchen von unten bis oben gut angezogen bin.

Eine andere Regel lautete: Trink keinen oder nur wenig Alkohol. Manchmal thematisierten wir, dass es für Menschen, die regelmäßig Alkohol trinken, nicht einfach ist, Ordnung zu halten. Wenn ich mir als Jugendliche so manche Menschen ansah, schien sich diese These zu bestätigen. Ich beschloss deshalb für mich, dass ich keinen Alkohol trinken wolle. Ich wollte brav sein. Da ich sowieso nicht gerne auf nächtliche Partys ging, war es für mich auch gar nicht schwer, diesem Grundsatz treu zu bleiben.

Brav sein. Kein Problem für mich. 😉

Und dann lernte ich Anfang zwanzig meinen Mann kennen. In seiner Familie war es völlig normal, dass man Alkohol trank, wenn man zusammen ein Fest feierte. Natürlich wurde mir auch Alkohol angeboten. Aber ich war ja brav. Ich lehnte ab. Das hielt ich sehr lange durch und sogar an unserer Hochzeit habe ich keinen Tropfen Alkohol getrunken.

Und dann kam, was kommen musste: Ich wurde schwanger. 😉

Mir war jeden Morgen so übel und nichts half. Da empfahl mir meine Mama: „Trink doch mal ein Bier.“ Ausgerechnet von meiner Mama kam der Rat, wo doch ausgerechnet sie auch so gut wie nie Alkohol trank. Ich fiel fast vom Glauben ab, als sie mir auch drei Flaschen Bier kaufte und mitbrachte. Aber ich probierte. Es schmeckte mir zwar nicht wirklich, aber gegen die Übelkeit half es.

Und dann fing ich langsam an, immer mal wieder ein Bier zu trinken. Es war mir ja schließlich in jeder meiner vier Schwangerschaften so richtig übel. Dann traute ich mich auch mal an Sekt oder Wein und legte das brav sein bezüglich meines Alkoholgenusses mit der Zeit ab.

Empreinte, Corsage Pompadure,

Die Freiheit ist mein Gewinn

Natürlich merkte ich, dass ich mich beim Genuss von Alkohol veränderte. Es geht etwas schneller als bei anderen, dass ich lustig und redselig werde. OK. Lustig und redselig sein kann ich auch ohne Alkohol. Aber mit, da fällt es mir leichter, mal Dinge anzusprechen, die ich normalerweise tief in mir vergrabe. Weil ich das weiß, gönne ich mir ein gutes Schlückchen immer in der von mir ausgewählten, besonderen Gesellschaft. Bin ich mit Menschen zusammen, die mir fremd sind, habe ich die Freiheit Nein zu sagen.

Auch was die Ordnung betrifft habe ich heute mehr Freiheit als früher. Ich halte gerne (meine) Ordnung. Und meistens fühlt sich meine Familie darin auch ganz wohl. Trotzdem kann es manchmal auch sein, dass ich aus irgendwelchen Gründen eben keine Ordnung gemacht habe. Dann ist das eben so. Ob ich nun ein zauberhaftes Essen auf den Tisch stelle, oder ob es missglückt ist, das ist egal. Ob die Wäsche heute oder morgen super toll zusammengelegt und gebügelt im Schrank liegt, tut ebenfalls nichts zur Sache. Genauso wenig ist es wichtig, ob ich immer züchtige und weiße Unterwäsche trage und diesbezüglich brav bin, oder ob ich so richtig sexy Dessous anziehe, bei dem jeder der es wüsste, bestimmt keine braven Gedanken hätte.

Vor wem muss ich Rechenschaft ablegen? Vor niemand, außer meinen eigenen komischen „brav-sein-Gedanken“, die mir suggerieren, dass ich brav sein soll. Zum Glück bringe ich heute solche Gedanken schneller zum Schweigen als früher. Klar. Ich bin immer noch brav. Jedenfalls meistens. Aber ich kann entscheiden, ob das in diesem Moment das beste ist, oder ob das „nicht brav sein“ eben jetzt gerade doch besser für mich ist.

Und damit fühle ich mich richtig frei.

Diese Freiheit musste ich erst lernen. Und es begann damit, dass ich mein erstes Bier probierte. In meinem Kopf musste die Hürde fallen, dass ich immer brav sein muss. Es kann sein, dass das, was ich jetzt noch ablehne, vielleicht sogar gut für mich ist. Zumindest für diesen Moment, so wie das Bier in meiner Schwangerschaft dafür sorgte, dass meine Übelkeit verschwand.

Hast du auch etwas erlebt, das dir mehr Freiheit gegeben hat? Schreibe gerne einen Kommentar.