Heute ist mein Markttag. Wie immer setze ich mich nach dem Einkaufen noch auf eine Bank. Ohne dass ich es will, dringen die unterschiedlichsten Gesprächsfetzen an mein Ohr. „Hab den Stand noch nie gesehen.“ … „Ich fand nichts besonderes dran.“ … „ Außer den letzten, der hat mir wirklich gut geschmeckt.“ …
Ich stehe auf und gehe weiter. Unbemerkt setzt sich der letzte Satz wie ein Ohrwurm in meinem Kopf fest. „… den letzten, der hat wirklich gut geschmeckt …“ Am Ende des Marktplatzes sehe ich einen Stand, der sonst nicht da ist.
„Heute Apfelsaftprobe,“ ruft ein junger Mann und winkt mich her. Vor ihm stehen drei Becher je halbgefüllt mit Apfelsaft. Ich zögere. Sagte da nicht die Frau auf der Bank neben mir etwas von „nichts Besonderes?“
Der junge Mann macht noch einmal eine einladende Bewegung mit der Hand. Der Ohrwurm drängt sich vor und ruft mir nochmals in Erinnerung: „… den letzten, der hat wirklich gut geschmeckt …“ Noch unschlüssig gehe ich auf den Stand zu. Dort erklärt mir ein junges Mädchen ausführlich den Sinn der Probe und worauf ich besonders achten soll. „Ist ja nett, dass sie mir das sagt, aber eigentlich bin ich mir ja gar nicht sicher, ob ich wirklich kosten will,“ denke ich.
Ich gebe mir einen Ruck, denn der Ohrwurm hat mich gerade nochmals an die Dame von vorher erinnert. Der junge Mann gibt mir freundlich den ersten Becher in die Hand. Ich nehme einen kleinen Schluck und konzentriere ich mich darauf, den Apfelsaft auf der Zunge zu schmecken. Langsam bewege ich die Zunge hin und her und filtere die einzelnen Geschmacksrichtungen heraus. „Es schmeckt recht süß, hat wenig Säure und ist etwas blass“, beschreibe ich mein Empfinden und das junge Mädchen schreibt eifrig mit.
Beim zweiten Becher mache ich es genau so. Das Ergebnis lautet: Vollmundig und etwas säuerlich. Auch dies schreibt das junge Mädchen eifrig mit. Bei mir ist der Ohrwurm wieder da und erinnert: „… den letzten, der hat wirklich gut geschmeckt …“
„Hier noch der dritte Becher.“ Der junge Mann schiebt mir den letzten Becher hin. Ich setze an und nehme einen Schluck. Innerhalb eines Augenblickes zieht es mir die Wangenmuskeln zusammen und ich spucke den Schluck zurück in den Becher. „Igitt,“ rufe ich mit verzogenem Gesicht. „Das ist ja Most!“ Es schüttelt mich am ganzen Körper. Ich kenne Most, und er schmeckt mir nicht.
„Mir hat Most noch nie geschmeckt,“ erkläre ich den jungen Leuten, die mich sehr erschreckt anschauen. Dann bitte ich um einen Schluck vom Apfelsaft, der mir gut geschmeckt hat. Ich habe das dringende Bedürfnis, den ekligen Mostgeschmack im Mund wieder los werden. Dienstbeflissen erfüllt mir der junge Mann meinen Wunsch.
Auf meinem Weg nach Hause denke ich über meinen Marktbesuch nach. Wie viele Dinge schleichen sich unbewusst in meine Seele und beeinflussen mich? Es waren nur Gesprächsfetzen, die ich auf der Bank mitgehört hatte. Und trotzdem glaubte ich, der letzte Saft wäre der beste. Dabei war das gerade der Most, den ich sofort wieder ausgespuckt habe, weil ich in partout nicht mag. Die Dame jedoch schien ihn sehr gemocht zu haben, so wie ich das rausgehört hatte.
Nicht alles tut jedem Menschen im gleichen Maße gut. Für mich ist es deshalb sehr wichtig herauszufinden, was mich beeinflusst. Ich möchte Gutes in mich hineinlassen und gute Gedanken denken. Dann wird auch Gutes aus meinem Mund herauskommen.
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