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„Na ihr müsst hier doch nicht im Haus rumsitzen, wenn es draußen so schön warm ist.“ Mit diesen Worten schickt meine Mama mich, meine Schwester und unsere Cousine Klara nach draußen in den Garten.

Klara hängt sich rechts und links bei meiner Schwester und mir ein. Langsam gehen wir durch das Gartentor, an dem ein Rosenstrauch viele seiner prachtvollen Blüten entfaltet. Vorbei geht es an eingefassten Gemüsebeeten, auf denen Möhren, Kohlrabi und Bohnen wachsen. Gleich dahinter ist unser Spielbereich, der aus einem Sandkasten und einer Schaukel besteht.

Weil Klara zuerst schaukeln möchte, geben wir ihr den Vortritt. Nur noch ein bisschen anschubsen, dann kann sie es alleine. Als sie den Rhythmus zwischen Beine nach vorn und Beine nach hinten gefunden hat, fängt Klara an zu singen.

Meine Schwester und ich setzen und auf den Rand des Sandkastens und fangen an, mit Förmchen Kuchen zu backen. Da beugt meine Schwester ihren Kopf nahe an mein Ohr und flüstert: „Glaubst du mit Klara ist es wirklich so schlimm?“

„Ich denke schon“, antworte ich leise. „Schau mal, sie hätte doch sonst noch Haare auf dem Kopf und nicht nur ein rotes Kopftuch mit weißen Punkten.“

„Ihr Gesicht sieht schon komisch aus, ohne Augenbrauen.“

„Pst. Leise. Nicht dass sie das hört. Da könnte sie traurig werden.“

„Ist gut.“ Eine Weile spielen wir still nebeneinander. Dann nimmt uns Klaras unbekümmerter Gesang einfach mit und wir trällern zu dritt durch unseren Garten. Das klingt so lieblich, dass es sich anfühlt, als würde dabei auch das Gemüse lieber wachsen.

Plötzlich wird Klaras Gesicht ganz weiß. Schnell stehe ich auf, putze meine sandigen Finger an der Hose ab und gehe zur Schaukel. Vorsichtig halte ich Klara an.

„Hilf mir bitte,“ rufe ich meiner Schwester zu. Klara lässt sich langsam von der Schaukel herunter auf den Boden. Dabei wackelt sie so sehr, dass wir sie zu zweit festhalten müssen.

In Sekundenschnelle überlege ich, ob wir Klara nicht kurz auf den Rand des Sandkastens setzen. Doch da kommt unser Papa in den Garten und ist in wenigen Schritten bei uns. Er nimmt Klara liebevoll auf den Arm und trägt sie ins Haus.

Meine Schwester und ich bleiben noch eine Weile draußen. „Es ist wirklich traurig, dass Klara mit ihren 12 Jahren schon Krebs hat.“ Meine Schwester wäscht sich die sandigen Hände in der Regenwassertonne aus und klettert dann auf die Schaukel.

„Ja. Das stimmt. Ich wüsste nicht, ob ich so unbekümmert wäre wie sie.“

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Als unsere Cousine wenige Wochen später starb, kamen meine Schwester und ich lange nicht darüber hinweg, denn Klara war so alt wie wir.

Hast du auch einmal einem Menschen gekannt, der kurz vor seinem Tod so unbekümmert war? Schreibe es mir gerne in einem Kommentar.

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Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Blognacht mit Anna.