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Hoch in den Bergen

Von meiner Blogparade inspiriert hat Medea aus der Schweiz einen Beitrag verfasst. Er ist so schön, dass ich ihr gerne dafür einen Platz als Gastschreiberin hier auf meinem Blog zur Verfügung stelle. Medea ist oben zu Hause. Oben in den Bergen. Mit dem folgenden Text entführt sie dich an diesen Ort, an dem ihre Sehnsucht zu Hause ist.

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Hi, ich bin Medea, Texterin auf der Suche nach einem Zuhause für meine Texte. Da ich noch keinen eigenen Blog habe, darf ich heute hier bei Edith zu Gast sein. Vielen lieben Dank! Dieser Text ist als Beitrag zur Blogparade „Wo ich mich zu Hause fühle“ entstanden. Inspiriert wurde ich auch durch die 28TageContent-Community.

Also, Zuhause ist für mich dort, wo meine Familie ist. Dort, wo wir uns unser Leben zu siebt eingerichtet haben, wie ein Nest, aus dem wir ausfliegen, um die Welt zu erkunden, und in das wir immer wieder zurückkehren, um uns einzukuscheln, auszuruhen, und einfach zu sein. Es ist schön, so einen Zuhause-Ort zu haben.

Aber meine Sehnsucht, die wohnt in den Bergen. Ganz weit oben. Dort, wo die Bäume kleiner werden und schliesslich ganz verschwinden. Dort, wo sich die Pflanzenwelt auf Flechten an Felsen und ganz kleinen Kräutern und Blümchen nah am Boden beschränkt. In den kargen Felsen, die in den Himmel ragen. Wo klare, kühle Bächlein müde Füsse (oder mehr) erfrischen und die Gipfel schneebedeckt sind. Dort ist die Luft so klar, der Himmel so weit und die Sonne so nah. Dort herrscht unendliche Ruhe. Vollkommener Frieden.

Bergbäche: Die schönste Erfrischung überhaupt

Kind der Berge

Andere zieht’s ans Meer oder in die Tropen, mich zieht’s in die Berge. Warum? Mich macht das Ursprüngliche, das Einfache, die Kargheit der Berge einfach glücklich. Als ich ein Kind war, wohnten wir in der Stadt und später in einem Vorort. Zu diesen Orten habe ich keine bleibende Bindung aufgebaut. Anders als zu den Bergen, wo ich die meisten Ferien meiner Kindheit und Jugend verbracht habe. Meine Familie fuhr immer in das Bergdorf, wo meine Grosseltern eine kleine Wohnung in einem alten Haus besassen, das ihnen früher als Maiensäss gedient hatte. Im Sommer spielten wir Kinder draussen, kraxelten auf den Felsen herum oder wurden auf Wanderungen mitgenommen. Im Winter lernten wir Skifahren (im Dorf, am immer gleichen Hügel, ohne Lift, aber mit ganz viel Vorstellung davon, wie wir später abends vom richtigen Skifahren ins Dorf zurückkehren würden – was wir dann tatsächlich auch taten, als wir älter waren und uns das kleine Skigebiet erschlossen hatten). Das waren unaufgeregte Ferien, immer das Gleiche, aber es war eine Konstante in meinem Leben, die mir – anders als der mehrmals wechselnde Wohnort – eine echte Bindung erlaubte. So sind die Berge das Zuhause meiner Kindheit geworden.

Mein Kindheits-Zuhause in den Bergen

Mein Erinnerungsort

Vom Tal führt eine kleine Luftseilbahn ins Bergdorf meiner Kindheit hinauf. Die Kabine ist klein und ein bisschen abenteuerlich ist es auch. Wenn es stark windet, fährt die Bahn nicht. Oben angekommen, atme ich die frische Bergluft ein. Es fühlt sich vertraut an, wie nach Hause kommen. Auf dem Weg ins Dorf knirscht der Kies unter meinen Füssen, im Winter der Schnee. Es sind diese ersten Geräusche hier bei der Ankunft, die meine Erinnerungen an diesen Ort wachrufen. Auch das Knistern des Feuers im Ofen, wenn wir nach der Ankunft im kalten Haus kräftig einheizten. Oder das Plätschern des Brunnens vor dem Haus. Das Knarzen beim Öffnen der Fensterläden, um einen klaren Bergmorgen hereinzulassen oder dem Schneegestöber zuzuschauen. Ich liebe diese Erinnerungsgeräusche, und manchmal passiert es, dass sie mir auch zu Hause begegnen. Der Brunnen bei uns auf dem Dorfplatz klingt genauso wie der Brunnen aus dem Bergdorf meiner Kindheit. Auch die alten Holzfensterläden machen ähnliche Geräusche wie die aus meiner Kindheit.

Herrlich, hier oben zu sein!

Sehnsucht ist an keinen Ort gebunden

Ich könnte noch lange in Kindheitserinnerungen im Bergdorf schwelgen. Und lange dachte ich, dass ich für diese Heimat- und Glücksgefühle an diesen bestimmten Ort zurückkehren muss. Bis ich dann eines Tages dort war und realisierte, dass dies zwar ein Ort ist, mit dem ich stark verbunden bin, an den ich schöne Erinnerungen habe und der mich geprägt hat, den ich aber nicht mehr brauche, um glücklich zu sein. Denn diese Verbindung zu den Bergen, die ich dort aufgebaut habe, die gibt’s überall, wo’s Berge gibt.

Berge machen mich glücklich

Gipfel stürmen

An meine erste Gipfelwanderung erinnere ich mich nur schwach. In meinem Fotoalbum gibt’s ein Foto von mir und meiner Schwester vor dem Gipfelkreuz. Darunter steht: Mein erster richtiger Berg. Ich war acht, meine Schwester sieben. Wirklich erinnern tue ich mich eigentlich nur an die Blasen, die der lange Abstieg an meinen Fersen hinterliess. Ach, was waren die Wanderschuhe damals hart! Trotzdem war ich wohl auch stolz auf meinen ersten Gipfel.

Immer wieder zieht’s mich seither hinaus und hinauf. Je höher, desto besser. Ich bin keine richtige Alpinistin, ich kann nicht mit Seil und Steigeisen umgehen, aber ich liebe es, mit Händen und Füssen Gipfel zu erklimmen.

Klettern wie ein Steinbock – bis hoch auf den Gipfel

Da oben werden ungeahnte Kräfte frei, dann will ich da einfach hinauf. Dann vergesse ich die Müdigkeit, überlege nicht, wie ich da wieder herunterkomme, dann bin ich ein Steinbock in seinem Element. Und dann: Oben auf dem Gipfel zu stehen, es geschafft zu haben, die Welt von oben herab zu betrachten, das fühlt sich einfach grossartig an. Dann wird alles Andere ganz klein und unbedeutend. Denn dort oben ist die Freiheit grenzenlos.

Besondere Gipfelerlebnisse sind die, die mit einem Sonnenaufgang verbunden sind. In meiner Jugendzeit hatte ich ein paar Mal die Gelegenheit, mit meinen Verwandten den Sonnenaufgang auf einem Dreitausender zu erleben. Wir standen mitten in der Nacht auf, wanderten ca. vier Stunden durch die sternenklare Nacht, um dann kurz vor Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu sein. Warm eingepackt warteten wir mit einer Tasse Tee aus der Thermoskanne auf die ersten Strahlen der Sonne. Diesen magischen Moment in einem Meer von Bergen zu erleben, das gehört zu meinen schönsten Gipfelerinnerungen.

Sonnenaufgang auf 3201 Metern über Meer

Als kleine Abwandlung davon hat sich bei meiner Familie nun die Tradition etabliert, am Weihnachtsmorgen zum Sonnenaufgang auf unseren Hausberg zu wandern, der zwar kein richtiger Berg in meinem Sinne ist, aber immerhin mit Aussicht in die Berge.

Diese Wanderung ist jedes Mal ein schönes gemeinsames Erlebnis. In der Nacht zu wandern ist halt irgendwie auch etwas Besonderes, jedenfalls sind die Kinder viel einfacher zu motivieren als am Tag. Im Winter kommt noch das prächtige Farbenspiel der Dämmerung dazu, die viel länger dauert als im Sommer. Da verfärbt sich der Himmel von violett-blau-grün zu rosa-rot-orange. Es wird schon hell, lange bevor die Sonne aufgeht, und das Warten kann ewig dauern. Ist die Sonne dann da, beginnt der Tag mit dem Abstieg. Und wenn wir müde und erfüllt nach Hause kommen, stellt sich auch hier das befriedigende Gefühl ein, etwas für Körper und Seele getan zu haben.

Sonnenaufgang am Weihnachtsmorgen

Ja, das ist es, was meine Sehnsucht braucht. Freiheit für die Seele, wie ein Vogel hoch hinauf zu steigen, aber mit dem festen, felsigen Boden unter meinen Füssen, der mich erdet. Hast du auch so einen Sehnsuchtsort, der dich glücklich macht?