Mein liebster Begleiter
Ich bin gerne unterwegs. Das war schon früher so. Ok. Das klingt jetzt, als ob ich eine von gestern wäre und nur noch in der Vergangenheit lebe. Aber das stimmt so nicht ganz, sondern nur teilweise.
Zum Impuls der #Blognacht mit Anna Koschinski tauche ich gerne ein in meine Erinnerungen. Wer war auf meinen vielen Reisen mein liebster Begleiter?
Ich.
Da staunst du. Aber überleg mal ehrlich: Der Mensch, mit dem du dein Leben lang unterwegs ist, das bist du selbst. Und mit sich selbst klar zu kommen, sich selbst anzunehmen und zu lieben, das ist eine ganz schöne Herausforderung. Es braucht Mut, sich regelmäßig selbst zu reflektieren.
Dazu muss man sich zwei Fragen stellen.
1.Wer bin ich? Was sind meine Charaktereigenschaften?
2.Wie setzte ich mein Wesen ein, dass ich mich in meinem eigenen Leben wohl fühle.
Aber genug mit der Verallgemeinerung, ich nehme dich jetzt mit auf die vielen Wege, die ich schon mit mir unterwegs war.
Meine Kindheit und Jugend verbrachte ich im nördlichen Schwarzwald. Da gibt es enge Täler und schmale Stege, um auf so manchen Gipfel zu kommen. Und vor allem viele, viele Kurven. In diesen Jahren bin ich viel mit meinem Papa durch Feld und Wald gewandert. Manchmal sind wir schon früh am Morgen gestartet, um das erste Morgenlicht erleben zu können. Zeitweise starteten wir noch am späten Abend, um vielleicht äsende Rehe beobachten zu können, oder vielleicht sogar ein paar Stunden in der Nacht zu wandern.
Stille
Von der Natur und den Tieren lernte ich, dass es gut ist, öfter mal still zu sein. Zuzulassen, was ist und im Hier und Jetzt zu leben. Es ist nicht einfach, still zu werden, wenn in mir Gedanken stürmen. Es dauert meistens eine Weile, bis die äußere Umgebung wirkt. Aber es lohnt sich auf dem Wege, mich selbst kennen zu lernen und mein liebster Begleiter zu werden.
Selbstdisziplin
Bei meinen Wanderungen lernte ich auch meine Eigenschaft der Selbstdisziplin kennen. Obwohl ich von Natur aus eher die „Eule“ bin, also später ins Bett gehe und lieber später aufstehe, lohnte es sich doch immer zu wandern, als auf der faulen Haut zu liegen. Die frische Luft und die Bewegung sorgten doch immer dafür, dass ich mich gesund fühlte. Auch heute noch tut es das. Und wenn ich nicht aufstehen kann, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass ich krank bin, oder krank werde.
Verlässlichkeit
Bei den Wanderungen lernte ich auch die Verlässlichkeit meines Vaters kennen. Normalerweise redete er nicht viel. Aber wenn er mir Mut machte und eine Belohnung fürs Durchhalten versprach, so konnte ich mich immer auf sein Wort verlassen. Mein Papa hat immer gehalten, was er versprochen hat. Leere Versprechungen, das gab es bei ihm nie. Bei mir ist das genauso. Es gehört zu meinem Wesen, dass mir Unzuverlässigkeit ein Gräuel ist. Mein Vater hat dieses Erbe wohl an mich weitergegeben.
Durchaltevermögen
Wer mich heute kennt, kann sich das nicht vorstellen. Aber ich war in meiner Schulzeit ein so genannter „Spätzünder“. Das Lernen in der Schule fiel mir schwer und mit jedem weiteren Schulabschluss, ich begann mit der Hauptschule, wurden meine Noten schlechter. Und zu der Zeit, als ich auf den Lehrstellenmarkt wolle, gab es so viele von uns. Meine Generation ist der Rest der „Babyboomer“, wie man die Leute heute nennt, die Mitte der 1960er Jahre geboren wurden. Es war deshalb sehr schlecht für mich, eine Lehrstelle zu finden. Du wirst es kaum glauben können, wenn ich dir verrate, dass ich über 280 Bewerbungen geschrieben habe. Und das noch mit einer Schreibmaschine ohne Korrekturmöglichkeit. Ein Fehler, und ich konnte nochmals von vorne anfangen. Und da war pro Bewerbung ein Anschreiben und ein tabellarischer Lebenslauf zu gestalten. Und dann am Schluss die Unterschrift nicht vergessen. Ist mir einzelne Male auch passiert, was natürlich nicht dazu führte, dass ich die Ausbildungsstelle erhielt.
Und dann habe ich eine Stelle bei der Kreissparkasse bekommen. Der Personalchef hatte wohl Mitleid? Nein. Es musste so sein, denn dort lernte ich meinen jetzigen Mann kennen. Nichts ist Zufall. Davon bin ich überzeugt. Und das, was so lange Geduld erfordert, wird am Ende gut.
Freiwilligkeit
In den vielen Jahren, die seit meiner Kindheit vergangen sind, habe ich nie aufgehört, Neues zu lernen. Manchmal hat es in meinen „Karriereplan“ gepasst, aber meistens nicht. Ich kann und kenne deshalb viele Dinge, die du nicht vermuten würdest, wenn du mich das erste Mal kennenlernst. Denn ich stelle mich immer mit meinem aktuellen Job vor. Aber alles, was ich gelernt habe, habe ich freiwillig gelernt. Auch wenn mich mein Weg dabei an ganz schön viele Orte in Deutschland geführt hat.
Loslassen
Dadurch habe ich auch gelernt, Altes loszulassen. Mit jedem Umzug, den ich gemacht habe, ist mir das leichter gefallen. Dem Trugschluss bin ich allerdings nie aufgesessen, dass es mir an meinem neuen Ort besser geht, als an dem alten. Denn eins ist mir immer deutlich bewusst gewesen.
Ich nehme mich immer selbst mit.
Deshalb bin ich auch aus jedem Ort versöhnt weggezogen. Es gab nichts, das ich als Scherben zurück gelassen hätte. Auch das ist ein Teil von mir, mit dem ich gerne unterwegs bin. Loslassen und ohne Altlasten weiterzugehen, ist eine sehr angenehme und leichte Begleitung.
Ich bin mir selbst mein liebster Begleiter. Und das soll auch so bleiben. Ich habe schon so oft erlebt, dass diese Tatsache mir andere Menschen als Begleiter schenkt, die gerne mit mir unterwegs sind. Wenn es aber Zeit ist, ein Stück meines Weges alleine weiterzugehen, dann halte ich niemanden fest. Loslassen erleichtert, auch wenn es manchmal eine Weile dauert.
Wie siehst du das? Schreib mir doch gerne einen Kommentar.
Hallo Edith, ich musste gerade lachen, denn auch ich habe mit beiden Zeigefingern meine (zahlreichen!) Bewerbungen in die mechanischen Tasten gehackt! Jeder Fehler einem Weltuntergang nicht unähnlich😳
Hallo Kerstin,
ja, so war das damals. Lange ist es her. Aber heute weiß ich, dass ich dadurch gelernt habe. Ich vermute, du auch.
Wow, was für ein toller Artikel, liebe Edith. Vielen Dank, dass Du mich mit auf Deine Reise genommen hast!
Herzliche Grüße Inge
Vielen Dank für die Blumen, liebe Inge. Hab ich doch gerne gemacht. Wir sehen uns bei der nächsten Blognacht.
Liebe Edith,
das kann ich so gut bestätigen. Man nimmst sich selbst immer mit, egal wohin der Weg führt.
Liebe Maria,
dann sind wir schon (mindestens) zwei, die gerne mit sich selbst unterwegs sind.