Das hätte ich gerne früher gewusst
Schon lange habe ich mich auf diesen Urlaub gefreut. Eine mir bisher unbekannte Ecke Deutschlands habe ich mir ausgesucht, die gar nicht wirklich weit von unserem Zuhause entfernt ist. Aber über Deutschland brütet seit Wochen eine starke Hitze.
„Wollen wir jetzt fahren, oder warten wir lieber, bis es etwas abgekühlt hat?“ Mein Mann lässt mich laut an seinen Gedanken teilhaben.
„So weit ist es ja nicht“, kontere ich. „Außerdem haben wir ja eine Klimaanlage im Auto. Das wird schon nicht so heiß“.
Ich bin von meinen Worten überzeugt. Aber es wird heiß. Heißer als ich es mir vorgestellt habe. Sogar im klimagekühlten Auto spüre ich wie mir die Schweißtropfen Milimeter für Milimeter an der Wirbelsäule entlang laufen. Als wir ankommen, habe ich das dringende Bedürfnis, mich zu duschen und neue Kleidung anzuziehen.
Gleich nach dem Einchecken in unsere Ferienwohnung inspiziere ich die Dusche von außen. Sie scheint mir etwas klein. Aber ich kann mich ja täuschen. Bei der Hitze ist mit alles egal. Hauptsache ein bisschen warmes Wasser. Fürs duschen mit ganz kaltem Wasser kann ich mich durchaus nicht begeistern.
Es dauert nur wenige Minuten, dann stehe ich im Eva-Kostüm vor der faltbaren Duschkabinentür. Mit Schwung öffne ich und stoße dann einen schrillen Schrei aus.
„Mach die Spinne hier weg! Mach die Spinne weg!“
Total gelassen kommt mein Mann mit einem Lappen um die Ecke. Er steht vollständig angezogen da und grinst vor sich hin. Dann entfernt er sich aus dem kleinen Badezimmer um die Spinne zu entsorgen.
Nun will ich doch endlich duschen. Ich schaue genau in jede untere Ecke, ob sich nicht doch noch so ein achtbeiniges Getier hier befindet, aber sie scheint ein Einzelexemplar gewesen zu sein.
Endlich kann ich die Duschtür schließen und den Hebel fürs Wasser öffnen. Er klemmt ein bisschen und ich versuche es mit etwas mehr Kraft.
„Iiiiih!“ Ein kräftiger Strahl eiskalten Wassers trifft meinen oberen Rücken. Reflexartig mache ich den Hebel sofort wieder zu. Dann nehme ich den Brausekopf von der Wand, damit mir das kein zweites Mal passiert. Wenn schon eiskalt, dann wenigstens nur die Füße.
Jetzt habe ich den Dreh raus, dass nicht so viel Wasser auf einmal kommt. Aber wie bekomme ich warmes Wasser? Ich kann drehen, wie ich will, es kommt keines.
„Dusche ich jetzt mit kaltem Wasser oder lasse ich es ganz sein?“ Während ich noch überlege nimmt mein Körper die Umgebungstemperatur an und es fühlt sich an, als hätte ich schon überall Gänsehaut. Ich möchte einfach nur noch duschen. Also drehe ich mit einem verzweifelten Seufzer das kalte Wasser auf.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich jemals so schnell eingeseift und wieder abgeduscht habe. Nichts wie wieder raus. Da rutsche ich aus.
„Aua!“ Ich reibe mir meinen Kopf. Da fällt mein Blick auf ein kleines Schild in der Ecke. Dort steht zu lesen:
Lieber Gast. Bitte drücken Sie diesen roten Knopf etwa eine halbe Stunde bevor Sie duschen möchten. Unser Boiler spendet Ihnen dann gewiss reichlich warmes Wasser. Vielen Dank.
Das hätte ich gerne früher gewusst denke ich und lege einen Waschlappen mit kaltem Wasser auf meinen malträtierten Kopf.
Diese Geschichte wäre heute nicht von mir umgesetzt worden, wenn Anna nicht den Impuls in der Blognacht und meine Tochter nicht die Idee dazu geliefert hätte. Vielen Dank an beide.
Hast du so etwas auch schon mal erlebt? Schreib es mir doch gerne in einem Kommentar.
Liebe Edith,
in dieser Situation kann ich den Wunsch etwas gerne früher gewusst zu haben sehr gut nachvollziehen. Es tut mir leid, dass dieser Duschvorgang so disaströs für dich war und doch ist es eine wunderbar erzählte Geschichte.
Liebe Grüße
Stephanie
Liebe Stephanie,
manche Lernprozesse sind in der Tat auch mal schmerzhaft. So wie es bei mir die Beule am Kopf war, oder das gezwungene kalt duschen, obwohl ich das durchaus überhaupt nicht mag. Aber so ist es zur Geschichte verarbeitet worden. Schön dass sie dir gefällt. Danke.
Ach, du Arme. Aber wie gut, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
Ja, ich hatte im vergangenen Winter einen wunderschönen Pullover gestrickt, reine Wolle, waschmaschinenfest. Also hinein damit. Hab das Programm „Frío“ (kalt) gewählt und musste lernen, dass „Kalt“ keineswegs für Wolle geeignet sein muss. Nun ist er zu klein und er hat sich mit Bravour dagegen gesträubt, lang gezogen zu werden. Schade, aber nochmal wird es mir hoffentlich (!) nicht passieren.
Ja, liebe Ramona, bei einigen Dingen wäre es gut, man hätte es früher gewusst. Aber manchmal passieren einem eben so alltägliche, menschliche Dinge. Und wären sie nicht geschehen, hätte man nichts zu erzählen gehabt. Es kann ja schließlich aus (fast) allem eine Geschichte werden. 😉