In der Dessous-Abteilung
In der Dessous-Abteilung kann skurriles und kurioses passieren. Der Sänger und Liedermacher Reinhard Mey hat sich dazu auch einmal seinen Vers gemacht. Heute möchte ich das mit euch teilen. Vielen Dank, lieber Reinhard Mey.
Als gelernter Kavalier der alten Schule begleit‘
ich meine Frau ins große Warenhaus von Zeit zu Zeit.
Und dann drück ich mich auch nicht vor so heiklen Missionen,
wie dem Stöbern in diversen Dessous-Kollektionen.
Ich folge ihr diskret durch Schlüpfer und durch Mieder
und ich schlag verwirrt errötend die Augen nieder.
In der Dessous-Abteilung, das spürst du beklommen,
wirst du als Mann noch immer nicht so richtig angenommen.
Natürlich bin ich aufgeklärt und schwer emanzipiert
und trotzdem fühlst du dich als Kerl irgendwie deplaziert.
Und auch diesmal gerät der Damenunterwäschekauf
für mich als Mitläufer zum reinsten Spießrutenlauf
Zwischen Hüfthaltern und Leibchen und Feinstrumpfhosen
auf langen Plexiglasbeinen in merkwürdigen Posen
zwischen Stützkorsetts auf kopflosen Plastikrümpfen
Sloggys und French Knickers auf gespreizten Körperstümpfen
vorbei am Unterschenkel mit abgetrenntem Schenkel
der einen Tanga trägt, nein eigentlich mehr einen Schnürsenkel
bis zum liegenden Torso, der Glitzerbody bedeckt,
dem Betrachter gleich das Himmelreich entgegenstreckt.
Und mich ergreifen Entsetzen und Mitgefühl zugleich,
das muss ja schrecklich kneifen, da ist doch alles zart und weich.
Und erzähl mir nicht, dass diese winzigen, sauteuren
Strings nicht gewaltig in der Porille scheuern.
Und die Druckknöpfe und Hacken, die an keinem Body fehlen
graben doch tiefe Kerben in die Familienjuwelen.
Und ich denk bei mir, wie locker, luftig, frei und lose
Hat’s mein Südpol in meiner zeltähnlichen Feinripphose.
Und zu welcher Folter ihr euch Frau’n versklaven lasst,
nur weil es einem triebgesteuerten Modemacher passt.
Während ich noch über das Los der Frauen meditier‘,
ist meine plötzlich weg, ich steh‘ allein im Revier.
Jetzt bin ich ganz verlor’n, ich fang nerös an zu zucken,
Mein Blick irrt starr umher, nur wohin soll ich jetzt gucken?
Seh‘ ich zu Boden, zur Decke mit unschuldiger Miene
Oder aus dem Augenwinkel zur Umkleidekabine?
Kuck ich auf die Busen oder besser auf die Zwickel,
Egal wohin, gleich ha’m sie mich als Spanner am Wickel!
Und ich spür , wie sich böse Blicke in meinen Rücken bohr’n,
Was hat der alte, geile Sack in den Dessous verlor’n?
In Panik bahne ich mir meinen Weg durch die Push-ups
Versteck mich hinter Nachthemden, verhedder mich in Straps.
Suche Halt in den BH’s, die schon leer aussehn wie volle,
Ich strauchle – die Situation gerät ganz außer Kontrolle.
Schon tritt ein spitzer Stöckelabsatz mich hinterlistig,
und ein Shirm saust auf mich nieder: „Ey, du Wichser, verpiss dich!“
Also eh ich mich hier von den Furien lynchen lasse
Flücht‘ ich mit erhobenen Händen zu der Frau an der Kasse.
Ich erklär ihr meinen Fall, sie lächelt mütterlich,
Flüstert was ins Telefon und kurz darauf höre ich:
„Der kleine grauhaarige Reinhard hat sich in unserer
Damen-Unterwäsche-Abteilung angefunden.
Er ist etwa 60 Jahre alt und möchte jetzt an der Kasse im
Ladies-World aus dem Dessous-Paradies abgeholt werden.“
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